Rus­si­sche Medien: Eine Waffe im Informationskrieg

© Shut­ter­stock

RT Deutsch und Sput­ni­k­news sind in Deutsch­land so aktiv wie nie zuvor. Sie teilen die Welt in Freund und Feind, gehen selek­tiv mit Fakten um und scheuen auch vor Falsch­dar­stel­lun­gen nicht zurück. In der deut­schen Par­tei­en­land­schaft bevor­zu­gen sie ein­sei­tig Links- und Rechtspopulisten.

Seit dem Krieg in der Ukraine hat Russ­land seine Medi­en­ar­beit im Ausland inten­si­viert. Deutsch­land ist ein Schwer­punkt der welt­wei­ten Medi­en­kam­pa­gne „Sputnik Inter­na­tio­nal“, die im Novem­ber 2014 von dem bekann­ten Fern­seh­mo­de­ra­tor Dmitrij Kisel­jow in Moskau gestar­tet wurde. Die bereits länger in Deutsch­land tätige Nach­rich­ten­agen­tur RIA Novosti wurde mit dem Radio­sen­der Stimme Russ­lands zur neuen Medi­en­agen­tur Rossija Segodnja fusio­niert. Diese bietet nun ihre Dienste unter dem Label Sput­ni­k­news an. Etwa zeit­gleich ging das Nach­rich­ten­por­tal und Online-Fern­se­hen RT Deutsch an den Start. Der Aus­lands­fern­seh­sen­der RT war zuvor schon mit einem Büro und einer Video­to­ch­ter in Berlin präsent. 

Porträt von Susanne Spahn

Susanne Spahn lebt als frei­schaf­fende His­to­ri­ke­rin, Poli­to­lo­gin und Jour­na­lis­tin in Berlin. Sie pro­mo­vierte über die rus­si­sche Ukraine-Politik seit 1991.

Was kenn­zeich­net die rus­si­schen Medien in Deutsch­land? Um diese Frage zu beant­wor­ten, hat die Fried­rich Naumann Stif­tung für die Frei­heit 2018 die Bro­schüre mit dem Titel „Rus­si­sche Medien in Deutsch­land – unab­hän­gi­ger Jour­na­lis­mus oder poli­ti­sches Instru­ment?“ ver­öf­fent­licht. Die Bro­schüre beruht auf einer Studie der Autorin, für die mehr als 500 Quellen aus­ge­wer­tet wurden, vor allem von dem Online-Fern­seh­sen­der RT Deutsch und der inte­grier­ten Radio- und Nach­rich­ten­platt­form Sput­ni­k­news. Hier sollen einige Aspekte kurz vor­ge­stellt werden. Als Ergeb­nis lässt sich kon­sta­tie­ren, dass es den rus­si­schen Medien nicht nur um Deu­tungs­ho­heit und die Ver­brei­tung rus­si­scher Nar­ra­tive geht. Ebenso wichtig ist die aktive Ein­mi­schung in die Innen­po­li­tik Deutsch­lands, wie die ten­den­ziöse Bericht­erstat­tung im Vorfeld der Bun­des­tag­wah­len 2017 gezeigt hat.

Die rus­si­schen Medien haben eine Mission 

Die rus­si­schen Medien in Deutsch­land sind inhalt­lich und orga­ni­sa­to­risch in eine Medi­en­ma­schi­ne­rie inte­griert, die sich selbst als Waffe in einem Infor­ma­ti­ons­krieg ver­steht. Dies belegen Äuße­run­gen lei­ten­der Jour­na­lis­ten, etwa, wenn RT-Chef­re­dak­teu­rin Mar­ga­rita Simon­jan von ihrem Fern­seh­sen­der als „Waffe wie jede andere auch“ spricht. In Deutsch­land geht es darum, eine Gegen­öf­fent­lich­keit zu den deut­schen Medien zu schaf­fen, denen vor­ge­wor­fen wird, sie ver­schwie­gen „die Wahrheit“.

Die Bei­träge von RT Deutsch sind pola­ri­sie­rend, es wird eine klare Auf­tei­lung in Freund und Feind vor­ge­nom­men, wobei als Para­me­ter die Ein­stel­lung zur Führung von Prä­si­dent Wla­di­mir Putin dient. Dem­entspre­chend werden Poli­ti­ker der Alter­na­tive für Deutsch­land (AfD), der Linken, einige Libe­rale und Christ­so­ziale, und beson­ders einige nam­hafte Sozi­al­de­mo­kra­ten positiv kon­no­tiert. Die Regie­rung, ins­be­son­dere Kanz­le­rin Angela Merkel und Putin-kri­ti­sche Teile der Gesell­schaft werden zu Feinden sti­li­siert und mit Attri­bu­ten wie „rus­so­phob“ und „kalte Krieger“ versehen.

Von Deutsch­land wird ein sehr nega­ti­ves Bild gezeich­net: Die Regie­rung sei eine Mario­nette der USA, die Demo­kra­tie defekt, die Medien mani­pu­liert. Bestehende Zweifel in der Gesell­schaft wie eine weit ver­brei­tete Medi­en­ver­dros­sen­heit oder anti­ame­ri­ka­ni­sche Res­sen­ti­ments werden auf­ge­grif­fen und instru­men­ta­li­siert. Das Ziel ist die Spal­tung der Gesell­schaft. Dafür greifen rus­si­sche Medien  vor­han­dene Kon­flikte auf  – etwa die Migra­ti­ons­frage – und fachen sie weiter an.

RT Deutsch, Sput­ni­k­news mit SNA-Radio bzw. Mega-Radio, wie der rus­si­sche Sender in einigen Bun­des­län­dern heißt, insze­nie­ren sich als unab­hän­gige Medien. Dass sie rus­si­sche Staats­me­dien sind, wird ver­schlei­ert. Häufig treten RT Deutsch-Chef Ivan Rodi­o­nov und andere Ver­tre­ter rus­si­scher Staats­me­dien in Talk­shows als freie Jour­na­lis­ten auf. Mega-Radio bietet nach eigener Dar­stel­lung­ein “sou­ve­rä­nes Infor­ma­ti­ons­pro­gramm”. Beides ist jedoch falsch: Die rus­si­schen Medien sind nicht unab­hän­gig, weil sie zu hundert Prozent aus dem Staats­aus­halt finan­ziert werden.

Die Redak­tio­nen koope­rie­ren eng mit ihren Zen­tra­len, 90 Prozent der Inhalte von Sput­ni­k­news kommen direkt aus der Mos­kauer Redak­tion, wie Chef­re­dak­teur Andrej Iva­novs­kij in einem Inter­view offen dar­ge­legt hat. Die Infor­ma­ti­ons­agen­tur Rossija Segodnja, der Anbie­ter von Sput­ni­k­news, sowie der Aus­lands­sen­der RT würden von der Prä­si­di­al­ver­wal­tung kon­trol­liert, bezeug­ten ehe­ma­lige Redak­teure von RT und Rossija Segodnja nach einem Bericht des rus­si­schen Online-Maga­zins The Insider. Es wird also Eti­ket­ten­schwin­del betrie­ben, denn die rus­si­schen Medien sind weder unab­hän­gig, noch bieten sie eine alter­na­tive Meinung. Sie bieten die Posi­tion des Kremls.

Selek­tive Auswahl von Fakten und Falschdarstellungen

Die Bericht­erstat­tung der rus­si­schen Medien enthält auch aus­ge­wo­gen recher­chierte Berichte, die auf den ersten Blick auch auf deut­schen Nach­rich­ten­sei­ten zu lesen sein könnten. Auf­fäl­lig ist jedoch, dass Fakten, die dem rus­si­schen Nar­ra­tiv nicht ent­spre­chen, ent­we­der aus­ge­las­sen oder mani­pu­liert werden. Das wird beson­ders deut­lich an der Bericht­erstat­tung über die Ukraine. Die Rolle Russ­lands, das durch die Anne­xion der Krim und die mili­tä­ri­sche Inter­ven­tion in der Ukraine inter­na­tio­na­les Recht gebro­chen hat, wird unkennt­lich gemacht und in ihr Gegen­teil ver­kehrt: Russ­land wird vom Aggres­sor zum Opfer.

Ein Bei­spiel ist ein Bericht von Sput­ni­k­news vom 24.12.2014 über die Kritik von Amnesty Inter­na­tio­nal an der Blo­ckade von Hilfs­kon­vois für die Ost­ukraine. Der Beitrag wurde mit einem Bild von Last­wa­gen mit der Auf­schrift „Huma­ni­täre Hilfe von der Rus­si­schen Föde­ra­tion“ illustriert.

Dabei han­delte es sich bei den auf­ge­hal­te­nen Hilfs­lie­fe­run­gen tat­säch­lich um Lkws der Stif­tung des ukrai­ni­schen Mil­li­ar­därs Rinat Ach­me­tow. Dies ver­deut­licht eine Pres­se­mit­tei­lung von Amnesty Inter­na­tio­nal, die die tat­säch­lich betrof­fe­nen Last­wa­gen zeigt.

Der Sputnik-Bericht unter­streicht die angeb­li­che Hilfs­be­reit­schaft Russ­lands – wobei die Hilfe in diesem Fall von einem ukrai­ni­schen Olig­ar­chen kam. Zwar wird Ach­me­tow später im Text erwähnt, aber nicht im Vor­spann. So kann bei aus­schließ­li­cher Betrach­tung von Bild und Vor­spann der Ein­druck auf­kom­men, die Hilfe käme aus der Rus­si­schen Föde­ra­tion und würde von der ukrai­ni­schen Armee blockiert.

Stig­ma­ti­sie­rung poli­ti­scher Gegner: das Bei­spiel Bun­des­tags­wahl 2017

Bun­des­kanz­le­rin Angela Merkel steht im Fokus der Bericht­erstat­tung, weil sie für die Sank­tio­nen gegen Russ­land als Folge der Anne­xion der Krim ein­tritt. Seit Anfang 2017 wurde eine ganze Reihe von Berich­ten ver­öf­fent­licht, die Merkel als Person dis­kre­di­tie­ren und ihre Politik ein­sei­tig negativ dar­stel­len. Das Thema gab Rossija Segodnja-Direk­tor Dmitrij Kisel­jow in seiner Sendung „Nach­rich­ten der Woche“ beim Sender Rossija 1 vor.

Dieser Beitrag ent­hielt zum einen unsach­li­che Argu­mente über die Kanz­le­rin, wie etwa, dass sie aus der Mode gekom­men sei. Er ver­brei­tete aber auch die Unter­stel­lung, wonach Merkel eine Affi­ni­tät zu natio­nal­so­zia­lis­ti­schen „Lebensraum“-Konzepten habe. Kiselev behaup­tete, Deutsch­land wolle die Ukraine „ver­schlu­cken“. In Deutsch­land wurden diese Themen bei RT Deutsch und Sput­ni­k­news wieder auf­ge­nom­men, bei­spiels­weise in einem Bericht, in dem Demons­tran­ten die Kanz­le­rin mit „Heil Merkel“-Ausrufen begrüßen.

Die Par­teien AfD und Die Linke waren die ein­zi­gen, über die positiv berich­tet wurde. Dies zeigt die com­pu­ter­ge­stützte Aus­wer­tung der Bericht­erstat­tung von RT Deutsch und Sput­ni­k­news, die die London School of Eco­no­mics in einem Projekt zur Wahl­be­ob­ach­tung durch­ge­führt hat.

Die Gra­fi­ken ver­an­schau­li­chen, wie die rus­si­schen Medien ver­such­ten, Ein­fluss zu nehmen, indem sie poli­ti­sche Gegner, in diesem Fall die Kanz­le­rin, ein­sei­tig negativ dar­stell­ten. Par­teien des linken und rechten Spek­trums hin­ge­gen wurden in der Bericht­erstat­tung positiv bedacht. So wurde im deut­schen Wahl­kampf die Funk­tion der Medien als Waffe im Infor­ma­ti­ons­krieg beson­ders deutlich.

Zur Reich­weite der rus­si­schen Medien in Deutsch­land geben die betref­fen­den Redak­tio­nen keine Aus­kunft. Ein Indi­ka­tor sind aller­dings die Nut­zer­zah­len bei Face­book. Aktuell haben rund 380.000 Men­schen die Face­book-Seite von RT Deutsch mit „Gefällt mir“ mar­kiert. Die Nut­zer­zah­len legen nahe, dass sich das Audi­to­rium von RT Deutsch recht dyna­misch ent­wi­ckelt hat. Aller­dings liegt die Reich­weite nicht auf dem Niveau der Deut­schen Welle, mit der sich RT Deutsch gern ver­gleicht. Auf der Seite von DW Deutsch haben derzeit rund 430.000 Men­schen auf „Gefällt mir“ geklickt.

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