„Dies ist auch unser Krieg“
Der Krieg in der Ukraine ist ein Test für die Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit der liberalen Demokratien. Noch ist Zeit, das Ruder herumzuwerfen. Erweist sich aber die Achse Moskau – Teheran – Peking als stärker, werden künftige Historiker diesen Krieg als Wendepunkt für den Niedergang der liberalen Demokratien markieren. Eine Nachlese der diesjährigen LibMod-Konferenz „Russland und der Westen“.
Was mich an diesem Tag voller intensiver, ernsthafter Diskussionen am meisten beeindruckt hat, war der Spiegel, den die Teilnehmer aus der Ukraine, Schweden, Polen, Großbritannien, dem Baltikum und auch die russischen Oppositionellen Deutschland vorgehalten haben. Es gibt einen signifikanten Unterschied ihrer Analyse und ihrer Sprache gegenüber dem deutschen Diskurs. Sie sprechen offen aus, was man von Olaf Scholz nicht hört:
1. Dies ist auch unser Krieg. Nicht weil wir ihn wollten, sondern weil Putin dem Westen den Krieg erklärt hat.
2. Wer den Krieg gegen einen zu allem entschlossenen Gegner nicht gewinnen will, hat ihn schon verloren. Der deutsche „Mittelweg“ – weder Russland noch die Ukraine sollen den Krieg gewinnen – ist ein Irrweg. Die Ukraine wird diesen Krieg entweder gewinnen oder verlieren – und ein Sieg Russlands hätte katastrophale Folgen auch für uns, für Europa und die Zukunft der internationalen Ordnung. Der Westen braucht dringend eine Strategie für den Sieg der Ukraine mit allem, was dafür erforderlich ist.
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Mehr Informationen3. Russland hat im letzten Jahr etwa 120 Milliarden Dollar in den Krieg investiert, das sind 5,2 Prozent des russischen Bruttosozialprodukts. Die Unterstützung Europas für die Ukraine betrug 2023 knapp 50 Milliarden Dollar oder 0,25 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung. Putin hat einen Wirtschaftsfachmann an die Spitze des Verteidigungsministeriums gesetzt, der die Kriegsproduktion ankurbeln soll. Wenn wir unsere Waffen- und Munitionslieferungen nicht endlich massiv hochfahren, wird die Ukraine den Krieg verlieren. Und Putin wird mit der Eroberung von Charkiw und Odesa nicht haltmachen.
Wir müssen endlich rote Linien für Putin ziehen, statt uns ständig den Kopf über seine roten Linien zu zerbrechen
4. Kanzler Scholz bremst die Waffenlieferungen an die Ukraine – keine Taurus, keine Kampfflugzeuge, von allem anderen zu wenig und zu spät – aus Furcht vor einer Eskalation des Krieges durch Putin und vor einem möglichen Kollaps des russischen Regimes. Das sind die falschen Ängste. Wir sollten uns viel mehr vor einem Sieg Russlands fürchten. Und wir müssen endlich rote Linien für Putin ziehen, statt uns ständig den Kopf über seine roten Linien zu zerbrechen.
5. Keine Angst vor Regime Change in Moskau. Mit diesem Regime gibt es weder nachhaltigen Frieden in Europa noch die Aussicht auf demokratische Reformen. Eine Niederlage in der Ukraine ist die einzige Chance auf positiven Wandel in Russland.
Mehr als 2000 westliche Firmen sind weiter in Russland aktiv und zahlen Steuern an das Regime
6. Sanktionen nachschärfen. Es ist ein Treppenwitz, dass die Ukraine den Krieg aus Mangel an Ressourcen zu verlieren droht, während 300 Milliarden russisches Staatsvermögen auf europäischen Banken liegen, die für die Unterstützung der Ukraine verwendet werden können. Gleichzeitig gelangt nach wie vor kriegswichtige westliche Technologie über Umwege nach Russland, mehr als 2000 westliche Firmen sind weiter in Russland aktiv und zahlen Steuern an das Regime. Die Umgehung von Sanktionen über Drittländer muss endlich gestoppt werden.
7. Die Initiative für ein Internationales Sondertribunal gegen die russische Führung zum Verbrechen der Aggression muss wieder angeschoben werden. Wenn das Völkerrecht nicht zur Makulatur werden soll, müssen Putin und seine Spießgesellen für die Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Rechenschaft gezogen werden.
Es geht nicht darum, Russland auf die Knie zu zwingen und zu demütigen
8. Eine Perspektive für ein post-imperiales Russland eröffnen: Es geht nicht darum, Russland auf die Knie zu zwingen und zu demütigen. Für ein Russland, das keine Gefahr mehr für seine Nachbarn ist und das Völkerrecht respektiert, steht die Tür zur Zusammenarbeit offen. Das bedeutet heute vor allem die Unterstützung der demokratischen Opposition. Sie verkörpert die Hoffnung auf ein anderes Russland.
Fazit: Der Ukraine-Krieg ist ein Test für die Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit der liberalen Demokratien. Wer hat den längeren Atem? Erweist sich die Achse Moskau-Teheran-Peking als stärker, brechen finstere Zeiten nicht nur für die Ukraine an. Noch ist es Zeit, das Ruder herumzuwerfen. Andernfalls werden künftige Historiker den Ukraine-Krieg als Wendepunkt für den Niedergang der liberalen Demokratien markieren.
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