Allianz der Autokraten: Orbans Kumpanei mit Russland und China
Ungarn wird zum Einfallstor für russische und chinesische Einflusspolitik in Europa. Die Zusammenarbeit reicht bis in die Geheimdienste.
Die Annäherung zwischen Ungarn und Putins Russland begann mit dem Neubau eines Atomkraftwerks. Die ungarische Regierung und der Kreml fassten 2014 den Beschluss, die staatliche russische Atomagentur „Rosatom“ ohne eine internationale Ausschreibung mit dem Bau der neuen Atomanlage „Paks 2“ hundert Kilometer südlich von Budapest zu beauftragen. Das Projekt wird durch eine russische Kreditlinie finanziert.
Ungarn ist auch einer größten Fürsprecher des chinesischen Seidenstraßen-Projekts. Das autoritäre Regime in Peking verfolgt damit das Ziel, sich neue Märkte zu erschließen und politischen Einfluss zu sichern, indem es den Staaten Mittel- und Osteuropas Investitionen verspricht. Die amtierende ungarische Regierung hat bereits ihre Bereitschaft gezeigt, im Gegenzug Pekings geopolitische Agenda zu unterstützen: Ungarn war das einzige Mitgliedsland der EU, das sich weigerte, ein Dokument zu unterzeichnen, welches den Mitgliedsstaaten untersagt, in ihre Verträge mit China Sonderklauseln aufzunehmen. Ein großes Investitionsprojekt steht kurz vor der Umsetzung, nämlich der Ausbau der Eisenbahnstrecke Budapest – Belgrad, der von den Chinesen vorgenommen und finanziert wird. Das Projekt wird sich – so die optimistischsten Szenarien – erst in 130 Jahren auszahlen. Das Ziel der ungarischen Regierung ist aber nicht primär wirtschaftlicher Natur. Sie knüpft Beziehungen zu Russland und China, um von der EU unabhängig zu werden.
Medien dienen sich Russland und China an
Die staatlich kontrollierten Medien in Ungarn verbreiten antiwestliche Narrative und scheinen das russische Staatsfernsehen als Vorbild zu betrachten: Ministerpräsident Orban tritt ganz wie Präsident Putin als der Retter des Christentums, der Familie und der Traditionen auf. Das wichtigste Sprachrohr der Regierung, die Tageszeitung Magyar Idők, hat in einem Beitrag vom März 2018 explizit erklärt, dass die Revolution auf dem Maidan und die anschließenden Ereignisse von der US-Regierung und in einer Verschwörung mit George Soros inszeniert wurden und die Ukraine bis heute von amerikanischen Geheimdiensten kontrolliert wird. M 1, der wichtigste Nachrichtensender, hat 2015 eine russischsprachige Nachrichtenstunde eingeführt, und Präsident Putin wurde bei seinem letzten Besuch im August 2017 durch die Universität Debrecen ein Ehrendoktortitel verliehen. Der Nachrichtensender M 1 hat 2016 auch eine chinesischsprachige Sendung gestartet und dabei auf die strategische wirtschaftliche Partnerschaft zwischen Ungarn und China verwiesen.
Ungarns Ukraine-Politik
Das Gerangel zwischen Ungarn und der Ukraine anlässlich des neuen ukrainischen Bildungsgesetzes trägt erheblich zur Destabilisierung der Ukraine bei – man ist geneigt, der Regierung Orban Vorsatz zu unterstellen. Zwar ist es ein berechtigtes Anliegen, der ungarischen Minderheit auf allen Ebenen der öffentlichen Bildungsverwaltung der Ukraine das Recht auf den Gebrauch ihrer Sprache zu gewähren. Allerdings bedeutet die gegenwärtige Behinderung einer West-Integration der Ukraine durch Budapest – etwa durch das Blockieren der Sitzungen der NATO-Ukraine-Kommission –, dass Ungarn dem Kreml in die Hände spielt.
Ungarische Spionageabwehr gelähmt?
Ungarn hat zwar in Solidarität mit Großbritannien und als Reaktion auf den Fall Skripal einen russischen Diplomaten ausgewiesen, doch unterminiert die Regierung systematisch die ungarische Spionageabwehr. Die paramilitärische neonazistische Ungarische Nationale Front (MNA) konnte viele Jahre lang an entlegenen Orten in Ungarn Trainings mit Angehörigen des russischen Militärgeheimdienstes GRU abhalten, ohne dass das ungarische Innenministerium eine ernstzunehmende Untersuchung dieser Vorgänge unternommen hätte. Atiya Khoury, Baschar al-Assads Finanzberater, der auf der US-amerikanischen Sanktionsliste steht, erhielt 2016 im Rahmen des ungarischen „Residency Bond“-Programms eine ständige Aufenthaltsgenehmigung für Ungarn. Khoury ist auch Vermittler zwischen syrischen, libanesischen und russischen Unternehmen.
Dem ehemaligen ungarischen Geheimdienstoffizier Ferenc Katrein zufolge haben sowohl russische wie auch chinesische Geheimdienste dank Budapests „Residency Bond“-Programms die Möglichkeit erhalten, ihre Agenten mit EU-Aufenthaltstiteln auszustatten. Mehr noch: Das investigative Portal Direkt 36 hat enthüllt, dass 2010 in Moskau zwischen zwei Oligarchen, die Fidesz nahestehen, und leitenden Offizieren des FSB hochrangige Kontakte geknüpft wurden.
Unter dem Strich stellt der russische und chinesische Einfluss in Ungarn ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die transatlantische Gemeinschaft dar. Europäische Interessen vertritt die Regierung in Budapest längst nicht mehr, sondern intrigiert systematisch gegen den Westen.
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