„So lange der Westen uneinig ist, kann der Kreml in dieser Weise agieren“

Marie­luise Beck im Inter­view mit dem Deutsch­land­funk zum „Tier­gar­ten-Mord“

Die Bun­des­an­walt­schaft geht im Mord­fall im Kleinen Tier­gar­ten von einem staat­li­chen Tötungs­auf­trag der rus­si­schen Regie­rung aus. Im Inter­view mit dem Deutsch­land­funk sagt Marie­luise Beck, Direk­to­rin im Zentrum Libe­rale Moderne für Ostmitteleuropa/​​Osteuropa:

„Der Kreml ist bereit, seine Macht auch außer­halb seiner natio­na­len Grenzen durch­zu­set­zen. Das haben wir sehr deut­lich gesehen bei der Krim-Anne­xion. Wir sehen es nach wie vor sehr deut­lich in der Ost­ukraine. Wir sehen es vor allen Dingen in Syrien. Und es werden durch­aus auch Men­schen ver­folgt, die diese Macht­po­li­tik auf­de­cken. Der Fall Lit­wi­nenko in Groß­bri­tan­nien war so dra­ma­tisch, weil dort ein Mann aus dem inneren Geheim­dienst­zir­kel unschäd­lich gemacht worden ist, der über Infor­ma­tio­nen ver­fügte, die für das System Putin höchst brisant waren.

So lange der Westen sich so uneinig bewegt, kann Russ­land in dieser Weise agieren. Und natür­lich spielt hierbei auch die kata­stro­phale Per­for­mance, die die USA und vor allem die ame­ri­ka­ni­sche Prä­si­dent­schaft abgeben, eine Rolle. Man könnte sagen, im Augen­blick hat Putin einen guten Lauf.

Die Bun­des­re­gie­rung muss zunächst das recht­staat­li­che Ver­fah­ren zum Mord im Kleinen Tier­gar­ten abwar­ten. Aber es gibt einen anderen Vorgang, bei dem ich schon etwas erstaunt war, wie milde die Reak­tion war. Es gab einen Hacker­an­griff auf den gesam­ten deut­schen Bun­des­tag. Und auch da war die Spur ein­deu­tig. Sie führte zu APT 28, also ‚Fancy Bear‘, der Hacker­gruppe, die zum rus­si­schen Aus­lands­ge­heim­dienst gehört. Als Reak­tion wurde der rus­si­sche Bot­schaf­ter freund­lich ins Aus­wär­tige Amt ein­ge­la­den. Das war eine überaus milde Reaktion.

Ich glaube wir haben sehr lange gebraucht, um wirk­lich zu ver­ste­hen, mit welcher Unver­fro­ren­heit der Kreml bereit ist, auch die Unwahr­heit uns gegen­über zu sagen.“