Recherche: Der Schattenmann hinter dem Abschuss von MH17
Die folgende Geschichte liest sich wie ein Politkrimi. Sie beruht auf Informationen, die in jahrelangen Recherchen zusammengetragen wurden. Armin Huttenlocher beschreibt den Aufstieg einer Zentralfigur in Putins System hybrider Kriege. Er war eine Schlüsselfigur bei der russischen Besetzung Süd-Ossetiens, die das Testfeld für die Annexion der Krim und die verdeckte Intervention in der Ostukraine war. Heute vor vier Jahren wurde die malaysische Passagiermaschine MH17 über dem Donbas abgeschossen und auch dabei spielte „Oreon“ alias „Andrey Ivanovich Laptev“ eine zentrale Rolle. Beide Namen sind Decknamen für Oleg Vladimirovich Ivannikov, der 1967 in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt) geboren wurde und noch heute beste Beziehungen zu prorussischen Akteuren in Deutschland pflegt. Man kann an seiner Geschichte einiges darüber lernen, wie das System Putin funktioniert.
Dies ist die Geschichte eines Mannes, der zur Führungsfigur im russischen Auslandsgeheimdienst GRU aufsteigt; dann zum Mastermind für Russlands expansives militärisches Vorgehen und für Wladimir Putins großangelegte Strategie der Desinformation wird; und schließlich die BUK besorgt, mit der am 17. Juli 2014 der Malaysian Airlines Flug MH17 über der Ost-Ukraine abgeschossen wird.
Sein Aufstieg verdeutlicht die Methodik, mit der das Putin-Regime talentierte junge Menschen ausbildet, gezielt fördert und in jeder Phase sicherstellt, dass diese Talente an einem Platz sitzen, an dem sie Bestmögliches für das Regime leisten, dem sie sich verschrieben haben. Und sollte sich eines dieser Talente auf mehr als nur einem Fachgebiet hervortun – dann gibt man ihm eine zweite und gerne auch eine dritte Identität. So ermöglicht man mehr als nur eine Karriere – und zwar parallel.
Diese Geschichte ist, kurz vor dem anstehenden Besuch der Bundeskanzlerin in Georgien (23./24. August 2018), zudem ein Beleg, mit welcher Systematik das System Putin seine Strategien auf kleinem Testgebiet entwickelt und auf dem Schlachtfeld perfektioniert. Das Testgebiet in diesem Fall hieß: „Süd-Ossetien“. Das Schlachtfeld heißt „Ost-Ukraine“. Und der Mann, um den es geht, scheint so etwas wie ein strategischer Kopf hinter allem zu sein. Mit besten, äußerst lebendigen Verbindungen zu dem Land, in dem er geboren und aufgewachsen ist: Deutschland.
Der Mann, der Oreon war
Kriegsführung erfordert, neben anderem, Führungsstärke und Organisationstalent. Vier Jahre, nachdem die Maschine des Malaysian Airlines Fluges MH 17 am Nachmittag des 17. Juli 2014, auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur, über der Ost-Ukraine von einer russischen BUK-Rakete getroffen wurde, hat ein internationales Team von Experten unter der Leitung von Bellingcat, einer unabhängigen Plattform für Online Recherchen, mit höchster anzunehmender Wahrscheinlichkeit die Person identifiziert, der die Schlüsselrolle in diesem beispiellosen Kriegsverbrechen zukommt: Den Raketenwerfer organisiert zu haben, mit dem die ihm unterstellte Söldnertruppe das Passagierflugzeug abschoss, von dem sie angenommen haben mögen, dass es zur ukrainischen Luftwaffe gehöre. Ein unterstellter, nicht bewiesener Irrtum, resultierend aus – wiederum unterstelltem, unbewiesenem – Mangel an Erfahrung im Umgang mit einer BUK. Die Söldner sahen den Punkt am Himmel, zielten ohne zu prüfen, vielleicht, ohne zu wissen, wie sie prüfen könnten, drückten den Knopf – und ermordeten 298 Zivilisten, darunter 80 Kinder.
Oleg Vladmirovic Ivannikov alias Andrey Vladimirovich Laptev alias Oreon: In Geheimdienstkreisen werden Profile wie dieses als „Spinne“ bezeichnet. Die Metapher spricht für sich – und beschreibt konzise die Art, wie dieses Alias-Trio in einer Person einerseits seine gezielt destruktiven Fäden spinnt und verknüpft, quer durch Ost-Europa und mit mindestens einer Verbindung und Verankerung nach West-Europa.
Ausgehend von einer technischen Analyse abgefangener und aufgezeichneter Telefonanrufe, kombiniert mit sehr weitgehenden, investigativen Recherchen im Internet und an zahlreichen, realen Orten, kommen die Bellingcat-Experten zu dem Schluss, dass es sich bei der Stimme des Mannes, der in den Tagen vor dem Abschuss von MH 17 unter dem Code-Namen Oreon mehrfach mit ranghohen Offizieren des russischen Auslandsgeheimdienstes GRU telefoniert hat, um die Bereitstellung und Übergabe von technischem Gerät und Versorgungsgut für seine Söldnertruppe zu besprechen, um die Stimme von Andrey Ivanovich Laptev handelt. Was, wie das Bellingcat-Team ebenfalls herausgefunden hat, seinerseits ein Deckname ist: für einen russischen Staatsbürger, der sich im Geburtsregister von Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz) des Jahrgangs 1967 unter dem Namen Oleg Vladimirovich Ivannikov eingetragen findet.
„Wir haben jetzt eine BUK!“
In den Telefonaten mit seinen Kollegen vom GRU, wenige Tage vor dem Abschuss von MH 17, diskutierte Oreon alias Andrey Ivanovich Laptev alias Oleg Vladimirovich Ivannikov nicht nur Transportrouten für technisches Gerät und beklagte sich dabei darüber, dass die Männer, die „letztens das Zeug herüberbrachten“ nur völlig veraltete Karten von 1982 zur Verfügung hatten. In einem der Telefonate vermeldet er außerdem triumphierend: „Wir haben jetzt eine BUK! Wir werden ihre Kisten in die Hölle schießen damit!“
Kein Zweifel: Was das Bellingcat-Team in monatelanger Arbeit herausgefunden und zusammengetragen hat, ist ein wichtiger Beitrag zum Verständnis und zur Beweisführung einer der ruchlosesten und feigsten Taten auf der in den letzten Jahren rapide gewachsenen Liste von Aggressionen des Kreml gegen den Westen. Gleichwohl, die Identifikation einer einzelnen, weiteren Person, die als Rädchen in Putins Uhrwerk von Machtdemonstration und Machterweiterung fungiert, wäre nicht unbedingt Anlass, dieser Person einen eigenen Artikel zu widmen. Solange es sich nicht um diesen Namen handelt und um diesen Mann. Den Mann, der gleichsam Federwerk, Getriebe und Zeiger zugleich war – und womöglich noch ist.
Aus Oleg Vladimirovich Ivannikov wird Andrey Ivanovich Laptev
Verfolgt man die Wege und Aktivitäten des Mannes mit dem Code-Namen Oreon seit Anfang der 2000er Jahre, mag einem das volkstümliche Lied von der Figur in den Sinn kommen, die, egal wo der Herr des Hauses hingeht, schon angekommen ist und ihr grässlich zerstörerisches Unwesen treibt: „Will ich in mein Gärtlein geh’n…“. Es ist, als zeichnete die alte deutsche Ballade ein vorweggenommenes Portrait dieses in Deutschland geborenen, russischen Militäragenten. Nicht nur, dass Oreon alias Andrey Ivanovich Laptev alias Oleg Vladimirovich Ivannikov stets an dem Ort in Ost-Europa war, an dem sich ein neuer, von Russland mindestens mitprovozierter Konflikt unter den Augen der Weltöffentlichkeit bis zum Krieg aufheizte.
Oreon alias Andrey Ivanovich Laptev alias Oleg Vladimirovich Ivannikov nahm, wie die Recherchen von Bellingcat belegen, persönlich, direkt und in stark eskalierender Weise Einfluss auf die politische Situation und die Entwicklung der Geschehnisse. Ein Mann, der vor nichts Halt macht. Ein Charakter, wie er Putin gefällt.
Kindheit in der DDR. Militärzeit in Russland. Und 13 Jahre nirgendwo
Oleg Vladimirovich Ivannikov wächst als Sohn eines hoch dekorierten sowjetischen Generals in, das darf man unterstellen, entsprechend privilegierten, regimetreuen Kreisen der DDR auf. Nach dem Abschluss der Oberschule geht er nach Kiev, besucht die sowjetische Militärakademie und geht dann nach Moskau an die Fakultät der sowjetischen Luftwaffe. Zwischen 1990 und 2003 verliert sich seine Spur. Dreizehn Jahre. Das ist, im Leben eines jungen Mannes, eine lange Zeit. Man darf vermuten, dass er nicht gefaulenzt hat. 2003 erhält Oleg Vladimirovich Ivannikov seine Ernennung zum Offizier. Seit diesem Zeitpunkt konnte das Team von Bellingcat seine Spuren nahezu nahtlos recherchieren.
Was sich ergibt, ist das Bild eines Agenten, aus dem ein hochprofessionell zu Werke gehender „Agent provocateur“ werden sollte, sich dann zum Akademiker und Intellektuellen wandelt, bevor er schließlich zum Hard-Core-Kommandeur einer Söldner-Truppe wird. Doch der Reihe nach.
Von 2004 bis 2008 taucht der Deckname Andrey Ivanovich Laptev, den Oleg Vladimirovich Ivannikov sich in seiner Zeit an der Militärakademie, mithin der Zeit seiner Ausbildung zum Agenten der GRU, zugelegt hat, in Süd-Ossetien auf, jener von Georgien abtrünnigen Region, die sich, wie auch die zweite von Georgien abtrünnige Region, Abchasien, der Unterstützung Russlands versichert hat.
Andrey Ivanovich Laptev – Schöpfer des „ewigen und unlösbaren Konflikts“
Andrey Ivanovich Laptev agiert zunächst als „Leiter der Abteilung für Sicherheit“. 2006 wird er zum „Minister für Verteidigung und Emergencies“ der selbsternannten „Republik Süd-Ossetien“ ernannt. Spätestens jetzt personifiziert er ein Zentrum, in dem die Fäden russischer Interessenspolitik um diesen lächerlich kleinen, aber strategisch hochbedeutenden Flecken Erde im südlichen Kaukasus zusammenlaufen. Und er wird zur Führungsperson über jene russische Schattenarmeee, die in Süd-Ossetien Teil der sogenannten „internationalen Friedenstruppe“ ist, sich tatsächlich aber durch immer massiver werdende Provokationen hervortut und auf so heimliche wie unheimliche Weise anwächst, ohne dass die westlichen ‚Partner‘ dieser Friedensmission jemals aufhorchen oder gar eingreifen würden. Laptev / Ivannikov wird aus ihr das Pilot-Modell einer nicht-staatlichen Kampftruppe machen und ihre einen Kampf-Namen geben, der zehn Jahre später traurigste Berühmtheit erlangt: „Wagner“.
Penibel orchestrierte Eskalation bis zum Krieg
Hochrangige georgische wie westliche Vertreter aus Politik und Militär, die damals vor Ort Verantwortung trugen, erinnern noch heute einhellig Vorfälle, die, oberflächlich betrachtet, wie zufällig entstanden aussehen mochten. In ihrer Häufung, Parallelität und lokalen Erscheinung indes ergeben sie das Bild einer sorgfältig durchdachten, penibel orchestrierten Eskalation. Am 8. August 2008 führte das zu dem Ergebnis, auf das der Kreml gehofft und Andrey Ivanovich Laptev alias Oleg Vladimirovich Ivannikov lange hingearbeitet hatte: Der georgischen Führung versagten die Nerven. Ihr „Feuer!“-Befehl lieferte die gewünschte „Rechtfertigung“ für die russische „Verteidigung des verbündeten Süd-Ossetien“. Dass die angeblich erst in dieser Nacht durch den Raki-Tunnel, die einzige Kaukasus-Verbindung zwischen Russland und Süd-Ossetien gebrachten Panzer-Brigaden (wie Satelliten-Aufnahmen später belegen sollten) schon seit Wochen marschbereit in Süd-Ossetien standen, interessierte lange Zeit keinen. Putin-Laptevs Strategie hatte Erfolg: Süd-Ossetien konnte, unter dem Vorwand eines Verteidigungskrieges besetzt werden. Ein grandioser Erfolg – nicht zuletzt für den „Minister für Verteidigung und Emergency“. Nach ähnlichem Muster vollzog sich auch die Besetzung von Abchasien.
Süd-Ossetien: Putins Testfeld. Ivannikovs Labor. Gründungsort der „Söldner-Truppe Wagner“
Aus heutiger Sicht muss der Konflikt um Süd-Ossetien – wie der Konflikt um Abchasien – als ein Testfeld für Wladimir Putins damals noch in der Entwicklung befindliche Strategie zur Wiedereinverleibung ehemaliger Sowjet-Staaten verstanden werden. Auf den wenigen Quadratkilometern dieser Region im Schatten des Großen Kaukasus wurde erstmals geprobt, was mit der Besetzung der Krim und dem Einmarsch in der Ost-Ukraine seine nächste Stufe erklomm: Die massive Unterminierung eines friedvoll funktionierenden Zusammenlebens unterschiedlicher Kulturen im 21. Jahrhundert. In Süd-Ossetien wurden nichtexistierende ethnische Konflikte konstruiert und gezielt eskaliert. Gezielt gesäter, gesellschaftlicher Zwist wurde zu einem militärischen Konflikt eskaliert. Letztendlich wurde dadurch eine Situation geschaffen, die auf lange Zeit verhindern wird, dass Georgien Mitglied der NATO wird. Die Statuten der NATO schließen jedes Land von einer Mitgliedschaft aus, das sich in einem militärischen Konflikt mit einem Nachbarland befindet.
Im Klartext: Was Oleg Vladimirovich Ivannikov erkannt und, par excellence, umgesetzt hatte, war die These, dass es keines „großen“, vernichtenden Krieges bedarf, um ein Land auf unabsehbare Zeit in seinen Ambitionen zu lähmen. Es reichen kurze militärische Interventionen (der „August-Krieg“ dauerte knapp sechs Tage), gefolgt von klug orchestrierten „Nadelstichen“, die den Konflikt am Köcheln halten, ohne ihn erneut zum Ausbruch zu bringen.
Die Konfliktzone Süd-Ossetien erwies sich zudem als ideales Testgebiet für die Entwicklung eines „militärischen Werkzeugs“, das sich ein Jahrzehnt und zwei Kriege später als bahnbrechend erweisen sollte für die Strategie, mit der Wladimir Putin umsetzt, was er unter einer Außenpolitik versteht, die Russland wieder in den Status einer dominierenden Großmacht bringt.
Die Schattenarmee, die Andrey Laptev alias Oleg Ivannikov in süd-Ossetien aufbaut, wird die Speerspitze beim Einmarsch der abzeichenlosen, „grünen Männchen“ auf der Krim sein, danach in der Ost-Ukraine an der Seite der Separatisten kämpfen und schließlich bei in Syrien die Truppen von Bashar al-Assad unterstützen: Die sogenannte Truppe „Wagner“, eine Privatarmee russischer Söldner, hat in Süd-Ossetien ihren Ursprung gehabt. Sie hat die internationale Friedensmission unterwandert, den Konflikt mit Georgien über Jahre hinweg gezielt eskaliert und war bei Ausbruch des Krieges, in der Nacht vom 8. auf den 9. August 2008 hervorragend ausgebildet, mit den örtlichen Begebenheiten vertraut – und einsatzbereit.
Gespaltene Persönlichkeit: Ivannikov wird Akademiker. Laptev bleibt Agent
Am Ende des sogenannten “August-Krieges 2008“ zwischen Russland und Georgien hatte sich Andrey Laptev alias Oleg Ivannikov als exzellenter Militärstratege empfohlen. Seine Ambitionen indes zielten auf Höheres. Und bekamen die Chance. Ende 2008 verließ der Mann, der vier Jahre lang in führenden Positionen den Einfluss Russlands in Süd-Ossetien sichergestellt hatte und schließlich erheblich dazu beitrug, dass die Region am Fuße des Kaukasus vollends in die Hände Moskaus fiel, Tskhinvali Richtung Moskau. Genauer gesagt, Oleg Ivannikov verließ Süd-Ossetien; sein Alter Ego Andrey Laptev blieb. Doch dazu später.
Während er den Konflikt in und um Süd-Ossetien mit allen Mitteln des militärischen Instrumentariums anheizte, muss Laptev/Ivannikov verstanden haben, dass es, um einen Krieg zu beginnen und zu gewinnen nicht nur politischen Willen und militärische Kraft braucht; sondern auch – und immer mehr – die Geschlossenheit der öffentlichen Meinung. Strategisch eingesetzte „Information“ würde immer wichtiger werden. Schon Publikationen, die Ivannikov in den Jahren 2006–2008 veröffentlicht hatte (sämtlich gezeichnet unter seinem bürgerlichen Namen), diskutieren diesen Aspekt am Beispiel der diversen Konflikte in der Region des südlichen Kaukasus. „Die komplexe Bedeutung des Informationskriegs im Kaukasus“ lautet, übersetzt, der Titel der Arbeit, die Ivannikov Ende 2008 als Doktorarbeit einreicht. Sie kulminiert in der expliziten, an Russland gerichteten Empfehlung, eine Art Masterplan mit strategisch koordinierten Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, um der „westlichen Information und kulturellen Infiltration im Kaukasus entgegen zu wirken. Das bedeutet, dass einer eng abgestimmten Zusammenarbeit von speziell ausgebildeten Teams braucht, zusammengestellt aus Vertretern aller wichtigen Geheimdienste (SVB, GRU, FSB, usw.), Akademikern von hohem, eigenständigem intellektuellen Potenzial, Ingenieure, Soziologen, Politikwissenschaftler, Kulturwisschenschaftler, Psychologen sowie patriotisch gesinnten Arbeitern auf der Seite der Medien und in Kultureinrichtungen.“
In Russland: Direktor eines Think Tanks.
In Süd-Ossetien: Strippenzieher hinter der Bühne
Die Tatsache, dass Oleg Ivannikov in Moskau eine bürgerliche Karriere als Akademiker begann und 2012 zum Direktor des Russisch-Kaukasischen Forschungszentrums ernannt wurde, einer eigenständigen Organisation unter dem Dach des Internationalen Institutes für die neu etablierten Staaten, bedeutete indes nicht, dass er seine Arbeit in Süd-Ossetien hätte aufgeben müssen. Ganz im Gegenteil. Der Name Andrey Laptev bleibt in Südossetien noch lange präsent und soll, so berichten „gut informierte Kreise“ auch heute noch regelmäßig auftauchen. Fotos von der Person, die sich mit dem Namen verbindet, hat es ohnehin nie gegeben. Nicht einmal aus der Zeit, als Laptev seinen Auftrag im Rang eines „Verteidigungsministers“ erfüllte. Schon das eine Meisterleistung.
Auch Laptev zeigt nun akademische Ambitionen, eröffnet ein Forschungszentrum in Süd-Ossetien und beginnt mit Verve ein Netzwerk zur Unterstützung der „Unabhängigkeit Süd-Ossetiens aufzubauen, dessen Fäden nicht zuletzt nach Deutschland zurückführen, wo just in dieser Zeit Organisationen gegründet werden wie die „Deutsch-Südossetische Freundschaftsgesellschaft“ und das Europäische Zentrum für Geopolitische Analyse. Organisationen mit schwer erkennbaren Aktivitäten aber klaren politischen Botschaften. Auf der – seit 2013 praktisch unveränderten – Website der deutsch-südossetischen Freundschaftsgesellschaft heißt es:
„… am 08.08.2008 um 24.00 Uhr überfiel die von den USA und Israel für diesen Tag ausgebildete und ausgerüstete Armee Georgiens das kleine Südossetien. Innerhalb von 5 Tagen wurden tausende Südossetinnen und Südosseten ermordet, verletzt und traumatisiert.
Den völkerrechtswidrigen Angriff auf friedliche und unbewaffnete Menschen gilt es hier noch einmal zu verurteilen. Die westlichen Staaten hatten nach anfänglicher Zurückhaltung nach drei Tagen eine neue Version parat, in der man den Spieß umdrehte und flugs die Russische Föderation und die Südosseten zum Aggressor machte und wegen eines „Angriffs“ auf Georgien verurteilte. Wie viel Blödheit trauen die westlichen Politiker den Bürgern eigentlich zu?“
Warum der Fokus auf Deutschland?
Wenngleich es bezüglich der „akademischen“ und „informationsorientierten“ Aktivitäten von Andrey Laptev / Oleg Ivannikov mit Fokus Deutschland noch einiges zu klären gilt, sollte nicht davon ausgegangen werden, dass dahinter etwaige persönliche Gründe oder gar biographische Sentimentalitäten wegen Ivannikovs Herkunft und Jugend in Sachsen stünden. Was Laptev / Ivannikov angeht, hat einen rationalen Grund.
Deutschland hat seit dem frühen 19. Jahrhundert ein spezielles und enges Verhältnis zu Georgien. Tausende süddeutscher Landarbeiter und Handwerker folgten damals der Einladung von Zarin Katharina der Großen, machten sich auf nach Georgien und gründeten dort eine neue Existenz. Mit der Technisierung kamen Firmen wie Siemens, Krupp, Mannesmann nach Georgien, waren wesentlich am Bau der Eisenbahn in Georgien beteiligt, an der Elektrifizierung unseres Landes, an seiner Anbindung an das internationale Telegrafennetz und, nicht zuletzt an der Entwicklung des Bergbaus.
1918 erkannte der deutsche Kaiser wenn auch aus durchaus eigennützigen Gründen als erster Staat die unabhängige Republik Georgien an. Und 1991/1992 waren es erneut die Deutschen, die Georgiens Unabhängigkeit als Erste anerkannt haben und eine Botschaft in der Hauptstadt Tbilisi eröffneten.
Deutschland wurde, vollends während Jahre des Bürgerkriegs in Georgien um die abtrünnigen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien, zudem zu dem Land mit den meisten außerhalb ihres Heimatlandes lebenden Georgiern. Und, nicht zuletzt, war es der damaligen Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, der in den Monaten vor dem Ausbruch des Krieges am 8. August 2008, mehrfach nach Georgien gereist war, im Bemühen, die Konfliktparteien zum Einlenken zu bewegen.
Deutschland dürfte, neben den USA, der wichtigste Verbündete Georgiens sein. Russland ist sich dessen bewusst. Wer Süd-Ossetien an sich binden will, um Georgien zu destabilisieren, der muss zuallererst auch jene Partnerschaften destabilisieren, die ein unabhängiges Georgien stützen. Die Einrichtung von Think Tanks, Freundschaftsvereinen, angeblichen Forschungsorganisationen ist dafür ein guter Ausgangspunkt.
Gelöschte Veröffentlichungen. Verwischte Spuren
Kaum hatte das Team von Bellingcat die Ergebnisse und Schlussfolgerungen seiner Recherchen veröffentlicht, begannen umfangreiche Löscharbeiten auf der Website des Russisch-Kaukasischen Forschungszentrums am Internationalen Institut für neu etablierte Staaten.
Die komplette Bibliographie seiner zahlreichen Schriften – weg. Der Hinweis auf seine Doktorarbeit – weg. Und auch auf der Website Internationalen Instituts für neu etablierte Staaten wird Hausputz gemacht. Unter anderem fällt der Hinweis auf eine Verbundenheit mit besagtem Internationalen Institut für neu etablierte Staaten zum Opfer.
Ivannikov – Laptev – Oreon: Dass klassische Profil einer “Spinne”
Oleg Vladmirovic Ivannikov alias Andrey Vladimirovich Laptev alias Oreon: In Geheimdienstkreisen werden Profile wie dieses als „Spinne“ bezeichnet. Die Metapher spricht für sich – und beschreibt konzise die Art, wie dieses Alias-Trio in einer Person einerseits seine gezielt destruktiven Fäden spinnt und verknüpft, quer durch Ost-Europa und mit mindestens einer Verbindung und Verankerung nach West-Europa.
Und auch Code-Namen, insbesondere für Kriegsszenarien, werden in aller Regel mit bedeutungsvollem Bezug gewählt. Wer sich den Mythos um „Orion“ vor Augen führt, kann sich eine Vorstellung vom Selbstbild eines Oleg Vladmirovic Ivannikov machen.
Leben und Wirken von Oleg Vladmirovic Ivannikov alias Andrey Vladimirovich Laptev alias Oreon sind ein Beispiel dafür, wie das System Putin funktioniert. Man muss es durchschauen, um ihm erfolgreich entgegenzutreten.
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