Cho­dor­kow­ski: Putin nach der Fake-Wahl nicht anerkennen

FOTOS: LibMod/​Tobias Kunz

Nach der am Wochen­ende zu Ende gegan­ge­nen Fake-Wahl darf Putin nicht mehr als legi­ti­mer Prä­si­dent Russ­lands gelten. Warum das so wichtig ist und wie der Westen jetzt handeln muss, erklärte Michail Cho­dor­kow­ski im Zentrum Libe­rale Moderne.

Cho­dor­kow­ski, der seit 2003 zehn Jahre lang der bekann­teste poli­ti­sche Gefan­gene Russ­lands war, zeigte sich beein­druckt von der Men­schen­schlange am Sonntag vor der rus­si­schen Bot­schaft in Berlin: 90 Prozent der Men­schen, mit denen er gespro­chen habe, seien gegen Putin gewesen. Die Oppo­si­tion hatte dazu auf­ge­ru­fen, aus Protest Mittags zur Wahl zu kommen.

Nun sei es sehr wichtig, dass der Westen Putin nicht länger als legi­ti­men Prä­si­den­ten behan­dele, sagte Cho­dor­kow­ski am Montag, der sich seit seiner Frei­las­sung 2013 aus dem Exil in London für die rus­si­sche Oppo­si­tion ein­setzt. Er argu­men­tierte, dass eine nicht-Aner­ken­nung große Wirkung haben werde.

„Die rus­si­sche Gesell­schaft ist sehr euro­pä­isch – die aus dem Westen gespie­gelte Meinung ist eminent wichtig für sie: Wenn west­li­che Poli­ti­ker Putin die Hand schüt­teln, stei­gert das seine Legi­ti­mi­tät. Wenn er gezwun­gen ist, sich mit Taliban-Führern foto­gra­fie­ren zulas­sen, senkt das seine Legi­ti­mi­tät,“ sagte er. Eine nicht-Aner­ken­­nung schwä­che Putins Auto­ri­tät: Dann hat er weniger Mög­lich­kei­ten, etwa um eine neu­er­li­che Mobil­ma­chung durch­zu­füh­ren, sagte Chodorkowski.

Protest vor der rus­si­schen Bot­schaft in Berlin am Wahl­sonn­tag. Foto: LibMod

Er betonte, das direkte Ver­hand­lun­gen mit Putin zwar nicht wün­schens­wert seien, „aber wenn man damit viele Men­schen­le­ben retten könne, würde ich das tun!“ Wichtig sei, dass Ver­hand­lun­gen mit Russ­land nur aus einer Posi­tion der mili­tä­ri­schen Stärke geführt werden dürften: Putin müsse ver­stan­den haben, dass sich eine mili­tä­ri­sche Lösung erschöpft hat. LibMod-Direk­tor Ralf Fücks, der das Gespräch mode­rierte, pflich­tete Cho­dor­kow­ski bei: Ver­hand­lun­gen, die diesen Namen ver­die­nen sind erst dann möglich, wenn Russ­land am Rande der Nie­der­lage steht,“ betonte er.

Man muss eine Chance auf Reue haben 

Cho­dor­kow­ski sprach sich für eine Reform der Sank­tio­nen gegen rus­si­sche Ein­zel­per­so­nen aus. Es müsse möglich sein, von der Sank­ti­ons­liste run­ter­zu­kom­men, wenn man ein­deu­tig gegen den Krieg Posi­tion beziehe. Er for­derte die EU auf, dafür klare Regeln auf­zu­stel­len. „Man muss eine Chance auf Reue haben,“ sagte er.

Pes­si­mis­tisch äußerte sich Cho­dor­kow­ski zur der­zei­ti­gen mili­tä­ri­schen Situa­tion der Ukraine. Die Chance für eine mili­tä­ri­sche Wende sei 2023 ver­passt worden. Es sei ein Fehler gewesen, die Ukraine zu einer Gegen­of­fen­sive zu drängen, ohne ihr Luft­un­ter­stüt­zung zu geben. Umso wich­ti­ger sei es jetzt, mehr in die Ver­tei­di­gung der Ukraine zu inves­tie­ren. Wirt­schafts­exper­ten seien sich einig, dass Putins Res­sour­cen unter den herr­schen­den Bedin­gun­gen nur bis 2026 reich­ten. Wegen des akuten Per­so­nal­man­gels seien die Mög­lich­keit einer Stei­ge­rung der mili­tä­ri­schen Pro­duk­tion fast aus­ge­schöpft, meinte er.

Eben­falls hoff­nungs­voll äußerte sich Cho­dor­kow­ski zu den Aus­sich­ten für einen Wandel in Russ­land. Weil das Regime stark per­so­na­lis­tisch sei, werde es Putin kaum über­le­ben „Die rus­si­sche Geschichte hat gezeigt, dass unsere Macht­ha­ber im Alter zwi­schen 70 und 80 sterben – und Putin ist 71.“ Auch wenn in den kom­men­den Jahren noch mehr Men­schen ein­ge­sperrt werden – „die werden dann weniger lange sitzen als ich.“

 

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