Wenn der Staat nur noch Krieg führt, wird Umwelt­schutz sinnlos

Shut­ter­stock

Die bru­ta­len Repres­sio­nen in Russ­land treffen neu­er­dings auch Umwelt­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen. Die dra­ko­ni­schen Maß­nah­men gegen Green­peace und andere zeigen, dass Putins auto­ri­tä­res Regime kein grünes Alibi mehr braucht, schreibt Wla­di­mir Sliwjak.

In den ver­gan­ge­nen Monaten wurden in Russ­land Green­peace und der World Wild­life Fund (WWF) sowie andere klei­nere Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen für „uner­wünscht“ erklärt. Ihnen wurde vor­ge­wor­fen, dass sie die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung Russ­lands gefähr­den und im Inter­esse aus­län­di­scher Staaten handeln.

Dabei sind bereits in den letzten zehn Jahren Ein­fluss und Wirkung von Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen in Russ­land auf­grund des sys­te­ma­ti­schen staat­li­chen Drucks dras­tisch zurück­ge­gan­gen. Die der­zei­tige Welle der Unter­drü­ckung kann also nicht damit erklärt werden, dass Umwelt­schüt­zer für irgend­je­man­den ein großes Hin­der­nis gewesen wären. Viel­mehr werden sie fürs Image nicht mehr gebraucht: Wla­di­mir Putins Regime hat es nicht mehr nötig, den Anschein zu wahren, dass Russ­land ein zivi­li­sier­tes Land ist, das sich um seine eigene Natur kümmert. Es ist jetzt ein tota­li­tä­res Land, in dem Orga­ni­sa­tio­nen wie Green­peace und WWF nicht länger will­kom­men sind.

Natür­lich gibt es in Russ­land Regie­rungs­be­amte und Per­sön­lich­kei­ten des öffent­li­chen Lebens, die diese Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen nicht mögen bzw. davon träumen, ihren Platz ein­zu­neh­men. Aber wir sollten deren Ein­fluss nicht über­be­wer­ten. Green­peace und WWF hatten seit langem direkte Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­näle zu hoch­ran­gi­gen Per­so­nen und sogar regel­mä­ßige Treffen mit Wla­di­mir Putin im Rahmen des Men­schen­rechts­ra­tes beim rus­si­schen Prä­si­den­ten. Erst vor zwei oder drei Jahren hat Putin die Akti­vi­tä­ten von Green­peace öffent­lich gelobt – was nicht heißt, dass er Sym­pa­thien für deren Akti­vi­tä­ten hegt. Aber damals hielt er sie als grünes Alibi gegen­über dem Westen noch für nützlich.

Zugleich gab es schon seit jeher Vor­würfe gegen mehr oder weniger pro­mi­nente Umwelt­grup­pen, dass Umwelt­schüt­zer dem Land wirt­schaft­li­chen Schaden zufügen, indem sie umwelt­schäd­li­che Pro­jekte ver­hin­dern. Aller­dings hat dies noch nie zu ernst­haf­ten Kon­se­quen­zen geführt. Ande­rer­seits hat es in den ver­gan­ge­nen Jahren auch keinen solchen Krieg wie jetzt gegen die Ukraine gegeben.

Der Druck begann schon 2014

Der Druck auf Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen in Russ­land, aber auch auf andere zivil­ge­sell­schaft­li­che Struk­tu­ren begann vor etwa einem Jahr­zehnt – mit der Ver­ab­schie­dung des Geset­zes über „aus­län­di­sche Agenten“. Im Juli 2014 erfasste die erste Welle von „aus­län­di­schen Agenten“ Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen wie Memo­rial sowie meine Umwelt­or­ga­ni­sa­tion Ecode­fense! Das rus­si­sche Jus­tiz­mi­nis­te­rium warf den Umwelt­schüt­zern poli­ti­sche Akti­vi­tä­ten „im Inter­esse aus­län­di­scher Quellen“ vor. Dem Minis­te­rium zufolge enga­gierte sich Ecode­fense! beim „Wider­stand gegen den Bau des bal­ti­schen Kern­kraft­werks in der Region Kali­nin­grad“ (dessen Bau wurde 2013 gestoppt). Darüber hinaus beschul­dig­ten rus­si­sche Behör­den die Umwelt­schüt­zer, Moskau zur Rati­fi­zie­rung der Espoo- und Aarhus-Kon­ven­tion und anderer „Sünden“ zu bewegen. Seit 2014 wurden Dut­zende von Umwelt­grup­pen aus ver­schie­de­nen Regio­nen Russ­lands zu „aus­län­di­schen Agenten“ erklärt.

Später kam in Russ­land ein wei­te­rer Status hinzu – „uner­wünschte Orga­ni­sa­tion“. Während fast aus­schließ­lich rus­si­sche Orga­ni­sa­tio­nen zu „aus­län­di­sche Agenten“ erklärt werden, können nur aus­län­di­sche Orga­ni­sa­tio­nen „uner­wünscht“ sein. Auch das Zentrum Libe­rale Moderne wurde von diesem Bann­fluch getroffen.

Der Status des „aus­län­di­schen Agenten“ erschwert das Leben öffent­li­cher Orga­ni­sa­tio­nen erheb­lich und birgt viele poten­zi­elle Risiken für ihre Teil­neh­mer, aber mit einer gewis­sen Portion Mut war es bisher möglich, trotz dieses Status‘ in Russ­land zu arbeiten.

Anders bei „uner­wünsch­ten Orga­ni­sa­tio­nen“ – sie müssen ihre Arbeit im Land ein­stel­len, weil jeder Umgang mit ihnen (auch in der Ver­gan­gen­heit, vor ihrer Listung) enorme Risiken bis hin zu Gefäng­nis­stra­fen mit sich bringt. Für aus­län­di­sche Orga­ni­sa­tio­nen, die keine offi­zi­el­len Ver­tre­tun­gen in Russ­land haben, ist die Situa­tion unan­ge­nehm, aber noch erträg­lich. Für Orga­ni­sa­tio­nen, die inner­halb Russ­lands arbei­ten, sind die Risiken aller­dings riesengroß.

Deshalb war es logisch, dass Green­peace seine Büros in Russ­land zuge­macht hat, nachdem es im Mai für „uner­wünscht“ erklärt wurde. Dagegen hat der rus­si­sche Zweig des WWF ledig­lich sein Logo und seinen ursprüng­li­chen Namen auf­ge­ge­ben und die Zusam­men­ar­beit mit dem inter­na­tio­na­len WWF eingestellt.

Für Umwelt­schüt­zer ist kein Platz mehr in Putins Russland

Green­peace, der WWF und andere „uner­wünschte“ Umwelt­schüt­zer haben nichts getan, was den Kreml wütend machen würde. Viel­mehr geht es darum, dass Putins Regime sie nicht mehr braucht. Im Februar 2022 ver­lang­ten die rus­si­schen Behör­den von der Bevöl­ke­rung, die Tat­sa­che zu igno­rie­ren, dass ein Krieg im Gange war, und ver­bo­ten sogar, ihn beim Namen zu nennen. Das Putin-Regime gab sich große Mühe, die glit­zernde Fassade eines Russ­lands auf­recht­zu­er­hal­ten, in dem alles in Ordnung ist und seinen Gang geht – und wo die Ukraine ein kleines Problem dar­stellt, das bald gelöst sein wird. In dieser Situa­tion hatten die großen Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen eine ein­fa­che Wahl: Ent­we­der sie taten so, als sei nichts gesche­hen – so wie es die Behör­den wollten, oder sie schlos­sen ihre Tätig­keit bzw. ver­leg­ten ihren Sitz ins Ausland. Heute ist Russ­land ein anderes – ein tota­li­tä­res Land, in dem es keinen Platz mehr für zivil­ge­sell­schaft­li­che „Ein­fluss­neh­mer“ gibt und wo Glitzer-Fas­sa­den nicht mehr nötig sind.

Wla­di­mir Sliwjak ist Ko-Vor­sit­zen­der der Umwelt­gruppe „Ecode­fence!“ und Träger des „Right Liveli­hood“ Preises.

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