Russische Medien: Eine Waffe im Informationskrieg
RT Deutsch und Sputniknews sind in Deutschland so aktiv wie nie zuvor. Sie teilen die Welt in Freund und Feind, gehen selektiv mit Fakten um und scheuen auch vor Falschdarstellungen nicht zurück. In der deutschen Parteienlandschaft bevorzugen sie einseitig Links- und Rechtspopulisten.
Seit dem Krieg in der Ukraine hat Russland seine Medienarbeit im Ausland intensiviert. Deutschland ist ein Schwerpunkt der weltweiten Medienkampagne „Sputnik International“, die im November 2014 von dem bekannten Fernsehmoderator Dmitrij Kiseljow in Moskau gestartet wurde. Die bereits länger in Deutschland tätige Nachrichtenagentur RIA Novosti wurde mit dem Radiosender Stimme Russlands zur neuen Medienagentur Rossija Segodnja fusioniert. Diese bietet nun ihre Dienste unter dem Label Sputniknews an. Etwa zeitgleich ging das Nachrichtenportal und Online-Fernsehen RT Deutsch an den Start. Der Auslandsfernsehsender RT war zuvor schon mit einem Büro und einer Videotochter in Berlin präsent.
Was kennzeichnet die russischen Medien in Deutschland? Um diese Frage zu beantworten, hat die Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit 2018 die Broschüre mit dem Titel „Russische Medien in Deutschland – unabhängiger Journalismus oder politisches Instrument?“ veröffentlicht. Die Broschüre beruht auf einer Studie der Autorin, für die mehr als 500 Quellen ausgewertet wurden, vor allem von dem Online-Fernsehsender RT Deutsch und der integrierten Radio- und Nachrichtenplattform Sputniknews. Hier sollen einige Aspekte kurz vorgestellt werden. Als Ergebnis lässt sich konstatieren, dass es den russischen Medien nicht nur um Deutungshoheit und die Verbreitung russischer Narrative geht. Ebenso wichtig ist die aktive Einmischung in die Innenpolitik Deutschlands, wie die tendenziöse Berichterstattung im Vorfeld der Bundestagwahlen 2017 gezeigt hat.
Die russischen Medien haben eine Mission
Die russischen Medien in Deutschland sind inhaltlich und organisatorisch in eine Medienmaschinerie integriert, die sich selbst als Waffe in einem Informationskrieg versteht. Dies belegen Äußerungen leitender Journalisten, etwa, wenn RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan von ihrem Fernsehsender als „Waffe wie jede andere auch“ spricht. In Deutschland geht es darum, eine Gegenöffentlichkeit zu den deutschen Medien zu schaffen, denen vorgeworfen wird, sie verschwiegen „die Wahrheit“.
Die Beiträge von RT Deutsch sind polarisierend, es wird eine klare Aufteilung in Freund und Feind vorgenommen, wobei als Parameter die Einstellung zur Führung von Präsident Wladimir Putin dient. Dementsprechend werden Politiker der Alternative für Deutschland (AfD), der Linken, einige Liberale und Christsoziale, und besonders einige namhafte Sozialdemokraten positiv konnotiert. Die Regierung, insbesondere Kanzlerin Angela Merkel und Putin-kritische Teile der Gesellschaft werden zu Feinden stilisiert und mit Attributen wie „russophob“ und „kalte Krieger“ versehen.
Von Deutschland wird ein sehr negatives Bild gezeichnet: Die Regierung sei eine Marionette der USA, die Demokratie defekt, die Medien manipuliert. Bestehende Zweifel in der Gesellschaft wie eine weit verbreitete Medienverdrossenheit oder antiamerikanische Ressentiments werden aufgegriffen und instrumentalisiert. Das Ziel ist die Spaltung der Gesellschaft. Dafür greifen russische Medien vorhandene Konflikte auf – etwa die Migrationsfrage – und fachen sie weiter an.
RT Deutsch, Sputniknews mit SNA-Radio bzw. Mega-Radio, wie der russische Sender in einigen Bundesländern heißt, inszenieren sich als unabhängige Medien. Dass sie russische Staatsmedien sind, wird verschleiert. Häufig treten RT Deutsch-Chef Ivan Rodionov und andere Vertreter russischer Staatsmedien in Talkshows als freie Journalisten auf. Mega-Radio bietet nach eigener Darstellungein “souveränes Informationsprogramm”. Beides ist jedoch falsch: Die russischen Medien sind nicht unabhängig, weil sie zu hundert Prozent aus dem Staatsaushalt finanziert werden.
Die Redaktionen kooperieren eng mit ihren Zentralen, 90 Prozent der Inhalte von Sputniknews kommen direkt aus der Moskauer Redaktion, wie Chefredakteur Andrej Ivanovskij in einem Interview offen dargelegt hat. Die Informationsagentur Rossija Segodnja, der Anbieter von Sputniknews, sowie der Auslandssender RT würden von der Präsidialverwaltung kontrolliert, bezeugten ehemalige Redakteure von RT und Rossija Segodnja nach einem Bericht des russischen Online-Magazins The Insider. Es wird also Etikettenschwindel betrieben, denn die russischen Medien sind weder unabhängig, noch bieten sie eine alternative Meinung. Sie bieten die Position des Kremls.
Selektive Auswahl von Fakten und Falschdarstellungen
Die Berichterstattung der russischen Medien enthält auch ausgewogen recherchierte Berichte, die auf den ersten Blick auch auf deutschen Nachrichtenseiten zu lesen sein könnten. Auffällig ist jedoch, dass Fakten, die dem russischen Narrativ nicht entsprechen, entweder ausgelassen oder manipuliert werden. Das wird besonders deutlich an der Berichterstattung über die Ukraine. Die Rolle Russlands, das durch die Annexion der Krim und die militärische Intervention in der Ukraine internationales Recht gebrochen hat, wird unkenntlich gemacht und in ihr Gegenteil verkehrt: Russland wird vom Aggressor zum Opfer.
Ein Beispiel ist ein Bericht von Sputniknews vom 24.12.2014 über die Kritik von Amnesty International an der Blockade von Hilfskonvois für die Ostukraine. Der Beitrag wurde mit einem Bild von Lastwagen mit der Aufschrift „Humanitäre Hilfe von der Russischen Föderation“ illustriert.
Dabei handelte es sich bei den aufgehaltenen Hilfslieferungen tatsächlich um Lkws der Stiftung des ukrainischen Milliardärs Rinat Achmetow. Dies verdeutlicht eine Pressemitteilung von Amnesty International, die die tatsächlich betroffenen Lastwagen zeigt.
Der Sputnik-Bericht unterstreicht die angebliche Hilfsbereitschaft Russlands – wobei die Hilfe in diesem Fall von einem ukrainischen Oligarchen kam. Zwar wird Achmetow später im Text erwähnt, aber nicht im Vorspann. So kann bei ausschließlicher Betrachtung von Bild und Vorspann der Eindruck aufkommen, die Hilfe käme aus der Russischen Föderation und würde von der ukrainischen Armee blockiert.
Stigmatisierung politischer Gegner: das Beispiel Bundestagswahl 2017
Bundeskanzlerin Angela Merkel steht im Fokus der Berichterstattung, weil sie für die Sanktionen gegen Russland als Folge der Annexion der Krim eintritt. Seit Anfang 2017 wurde eine ganze Reihe von Berichten veröffentlicht, die Merkel als Person diskreditieren und ihre Politik einseitig negativ darstellen. Das Thema gab Rossija Segodnja-Direktor Dmitrij Kiseljow in seiner Sendung „Nachrichten der Woche“ beim Sender Rossija 1 vor.
Dieser Beitrag enthielt zum einen unsachliche Argumente über die Kanzlerin, wie etwa, dass sie aus der Mode gekommen sei. Er verbreitete aber auch die Unterstellung, wonach Merkel eine Affinität zu nationalsozialistischen „Lebensraum“-Konzepten habe. Kiselev behauptete, Deutschland wolle die Ukraine „verschlucken“. In Deutschland wurden diese Themen bei RT Deutsch und Sputniknews wieder aufgenommen, beispielsweise in einem Bericht, in dem Demonstranten die Kanzlerin mit „Heil Merkel“-Ausrufen begrüßen.
Die Parteien AfD und Die Linke waren die einzigen, über die positiv berichtet wurde. Dies zeigt die computergestützte Auswertung der Berichterstattung von RT Deutsch und Sputniknews, die die London School of Economics in einem Projekt zur Wahlbeobachtung durchgeführt hat.
Die Grafiken veranschaulichen, wie die russischen Medien versuchten, Einfluss zu nehmen, indem sie politische Gegner, in diesem Fall die Kanzlerin, einseitig negativ darstellten. Parteien des linken und rechten Spektrums hingegen wurden in der Berichterstattung positiv bedacht. So wurde im deutschen Wahlkampf die Funktion der Medien als Waffe im Informationskrieg besonders deutlich.
Zur Reichweite der russischen Medien in Deutschland geben die betreffenden Redaktionen keine Auskunft. Ein Indikator sind allerdings die Nutzerzahlen bei Facebook. Aktuell haben rund 380.000 Menschen die Facebook-Seite von RT Deutsch mit „Gefällt mir“ markiert. Die Nutzerzahlen legen nahe, dass sich das Auditorium von RT Deutsch recht dynamisch entwickelt hat. Allerdings liegt die Reichweite nicht auf dem Niveau der Deutschen Welle, mit der sich RT Deutsch gern vergleicht. Auf der Seite von DW Deutsch haben derzeit rund 430.000 Menschen auf „Gefällt mir“ geklickt.
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