Peters­bur­ger Dialog: Nawalny unver­züg­lich freilassen

Petersburger Dialog

Ange­sichts der Inhaf­tie­rung Alexej Nawal­nys und zahl­rei­cher Regime­geg­ner sowie der jüngs­ten Serie repres­si­ver Gesetze gegen Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen hat die deut­sche Seite des Peters­bur­ger Dialogs das Vor­ge­hen der rus­si­schen Führung deut­lich ver­ur­teilt. In dem Gremium sitzen auch LibMod-Gründer Marie­luise Beck und Ralf Fücks.

In der Erklä­rung heißt es, dass Nawalny und alle fried­li­chen Demons­tran­tin­nen und Demons­tran­ten unver­züg­lich frei­ge­las­sen werden müssen. Zudem sieht die deut­sche Seite des Gre­mi­ums „die Grund­la­gen zivil­ge­sell­schaft­li­chen Enga­ge­ments in Russ­land akut gefähr­det“. Außer­dem stimm­ten die deut­schen Mit­glie­der des Peters­bur­ger Dialogs ein­stim­mig einer deutsch-rus­si­schen Erklä­rung der Arbeits­gruppe Zivil­ge­sell­schaft zu den neuen NGO-Geset­zes­in­itia­ti­ven zu. Diese Reso­lu­tion meldet „Zweifel an der Mög­lich­keit einer frucht­ba­ren zwi­schen­ge­sell­schaft­li­chen Zusam­men­ar­beit“ an. Die Geset­zes­vor­ha­ben „wider­spre­chen dem Geist der zwi­schen­ge­sell­schaft­li­chen Zusam­men­ar­beit und offen­ba­ren ein tiefes Miss­trauen gegen­über der Zivil­ge­sell­schaft.“ Der Vor­sit­zende des Peters­bur­ger Dialogs, Ronald Pofalla, wurde beauf­tragt, mit der rus­si­schen Seite des Peters­bur­ger Dialogs hier­über in Gesprä­che einzutreten.

Der Beschluss zu Nawalny im Wortlaut

Das Urteil gegen Alexej Nawalny wider­spricht rechts­staat­li­chen Prin­zi­pien. Es fußt auf einem Urteil, das der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rechte 2017 als „will­kür­lich“ und als Verstoß gegen das Recht auf ein faires Ver­fah­ren ein­ge­stuft hat. Russ­land hat sich als Mit­glied­staat des Euro­pa­rats ver­pflich­tet, die Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­tion ein­zu­hal­ten und Ent­schei­dun­gen des Euro­päi­schen Gerichts­hofs für Men­schen­rechte umzusetzen.

Ange­sichts des Urteils gegen Alexej Nawalny und der Ver­haf­tung fried­li­cher Demonstrant*innen sieht die Mit­glie­der­ver­samm­lung der deut­schen Seite des Peters­bur­ger Dialogs die Grund­la­gen zivil­ge­sell­schaft­li­chen Enga­ge­ments in Russ­land akut gefähr­det. Die Mit­glie­der­ver­samm­lung der deut­schen Seite des Peters­bur­ger Dialogs fordert deshalb die rus­si­sche Regie­rung dazu auf, Alexej Nawalny wie auch alle inhaf­tier­ten fried­li­chen Demonstrant*innen unver­züg­lich freizulassen.

Der Mit­glie­der­ver­samm­lung der deut­schen Seite des Peters­bur­ger Dialogs ist es ein Anlie­gen, mit der rus­si­schen Seite des Peters­bur­ger Dialogs dazu unver­züg­lich und auf allen Ebenen des Peters­bur­ger Dialogs gemein­sam ins Gespräch zu kommen.

Wort­laut der Erklä­rung der Arbeits­gruppe „Zivil­ge­sell­schaft“ zu den Gesetzentwürfen

Mit großer Besorg­nis haben die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer der Arbeits­gruppe Zivil­ge­sell­schaft des deutsch-rus­si­schen Forums „Peters­bur­ger Dialog“ bei ihrer Sitzung am 3. Dezem­ber 2020 auf eine Reihe von Geset­zes­ent­wür­fen reagiert, die im Novem­ber 2020 in die Staats­duma der Rus­si­schen Föde­ra­tion ein­ge­bracht worden sind.

Danach sollen Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen (NGOs), die von den rus­si­schen Behör­den als „aus­län­di­sche Agenten“ betrach­tet werden, künftig unter anderem ver­pflich­tet sein, das Jus­tiz­mi­nis­te­rium vorab über geplante Pro­gramme und ihre Akti­vi­tä­ten zu unter­rich­ten. Das Minis­te­rium hat die Mög­lich­keit, die gemel­de­ten Akti­vi­tä­ten zu ver­bie­ten, ohne dass die Vor­aus­set­zun­gen für ein solches Verbot fest­ge­legt sind. Ver­stößt die betrof­fene Orga­ni­sa­tion gegen ein aus­ge­spro­che­nes Verbot, kann das Jus­tiz­mi­nis­te­rium ihre Schlie­ßung betreiben.

Ein wei­te­rer Gesetz­ent­wurf sieht vor, auch Orga­ni­sa­tio­nen, die keine juris­ti­sche Person gebil­det haben, und phy­si­sche Per­so­nen als „aus­län­di­sche Agenten“ zu regis­trie­ren. Bei phy­si­schen Per­so­nen soll das erfol­gen, wenn sie – unab­hän­gig von ihrer Staats­bür­ger­schaft – finan­zi­elle Mittel aus dem Ausland erhal­ten und sich an „poli­ti­schen Akti­vi­tä­ten“ auf dem Ter­ri­to­rium Russ­lands betei­li­gen oder Infor­ma­tio­nen über mili­tä­ri­sche Akti­vi­tä­ten Russ­lands sammeln. Solche „Agenten“ sollen keinen Zugang zum öffent­li­chen Dienst haben und ver­pflich­tet sein, sich in von ihnen ver­fass­ten Briefen an Behör­den selbst als „aus­län­di­sche Agenten“ zu bezeichnen.

Dies träfe unter anderem auf Beschäf­tigte von NGOs zu, die bereits als „aus­län­di­sche Agenten“ regis­triert sind. Medien, die ihre Stel­lung­nah­men ver­brei­ten, wären gehal­ten, sie in Ver­öf­fent­li­chun­gen als „aus­län­di­sche Agenten“ zu bezeichnen.

Weitere Geset­zes­vor­ha­ben schrän­ken die Demons­tra­ti­ons­frei­heit weiter ein und ver­bie­ten NGOs, die als „aus­län­di­sche Agenten“ regis­triert sind, die Finan­zie­rung von öffent­li­chen Aktio­nen. Beab­sich­tigte Neu­re­ge­lun­gen des Bil­dungs­ge­set­zes sollen eine stren­gere staat­li­che Auf­sicht gewähr­leis­ten und zielen darauf, alle auf­klä­re­ri­schen Ver­an­stal­tun­gen erlaub­nis­pflich­tig zu machen.

Die Arbeits­gruppe Zivil­ge­sell­schaft, wie der gesamte „Peters­bur­ger Dialog“, bemüht sich um die För­de­rung der zwi­schen­ge­sell­schaft­li­chen Zusam­men­ar­beit Russ­lands und Deutsch­lands. Im ver­gan­ge­nen Jahr führte die Arbeits­gruppe trotz der Pan­de­mie und der Ver­schlech­te­rung der Bezie­hun­gen auf Regie­rungs­ebene einen inten­si­ven Erfah­rungs­aus­tausch über die Mobi­li­sie­rung von NGOs im Kampf gegen das Coro­na­vi­rus durch, beschäf­tigte sich mit Pro­ble­men von Pfle­ge­fa­mi­lien, der Ver­bes­se­rung der gesell­schaft­li­chen Kon­trolle im Gefäng­nis­sys­tem, der Aus­bil­dung der Erin­ne­rungs­kul­tur über den Sieg über den Nazis­mus usw.

Diese gemein­same Arbeit hat unser Bewusst­sein für die Wich­tig­keit einer Ver­tie­fung und Aus­wei­tung der Zusam­men­ar­beit zwi­schen den Struk­tu­ren der Zivil­ge­sell­schaf­ten unserer Länder zur Stär­kung gegen­sei­ti­gen Ver­trau­ens und der inter­na­tio­na­len Sicher­heit bekräf­tigt. Die Geset­zes­vor­ha­ben wider­spre­chen dem Geist der zwi­schen­ge­sell­schaft­li­chen Zusam­men­ar­beit und offen­ba­ren ein tiefes Miss­trauen gegen­über der Zivil­ge­sell­schaft und der „Volks­di­plo­ma­tie“. Sie rufen Zweifel an der Mög­lich­keit einer frucht­ba­ren zwi­schen­ge­sell­schaft­li­chen Zusam­men­ar­beit hervor.

Aus diesem Grund ruft die Arbeits­gruppe dazu auf, sie abzulehnen.

Das Ori­gi­nal der Erklä­run­gen finden Sie auf der Home­page des Peters­bur­ger Dialogs.

Der Peters­bur­ger Dialog ist ein bila­te­ra­les Gesprächs­for­mat der Zivil­ge­sell­schaft, das sich gesell­schaft­li­chen Zeit­fra­gen und Fragen der deutsch-rus­si­schen Bezie­hun­gen widmen soll. Deut­scher Vor­sit­zen­der ist der ehe­ma­lige Kanz­ler­amts­mi­nis­ter und heutige Bahn-Vor­stand Ronald Pofalla (CDU), der rus­si­schen Seite sitzt ex-Pre­mier­mi­nis­ter Wiktor Subkow vor, der heute Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der von Gazprom ist. LibMod-Mit­grün­de­rin Marie­luise Beck ist Vor­stands­mit­glied des Peters­bur­ger Dialogs, Geschäfts­füh­rer Ralf Fücks ist Co-Koor­di­na­tor der Arbeits­gruppe Öko­lo­gi­sche Modernisierung.

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