„Nur eine Nie­der­lage in der Ukraine kann Russ­land vom impe­ria­len Wahn kurieren“

Foto: Niko­laus v. Twickel

Am 25. Februar demons­trierte die rus­si­sche Exil­be­we­gung Demo­krati-JA vor dem Bran­den­bur­ger Tor ihre Soli­da­ri­tät mit der Ukraine. Während der Ver­an­stal­tung wandte sich auch der Gründer des Zen­trums Libe­rale Moderne, Ralf Fücks, an die Menge. Wir doku­men­tie­ren hier seine Rede.

Danke an alle, die gekom­men sind. Ich wünschte es wären mehr.
In Berlin leben nach offi­zi­el­len Zahlen ca. 30.000 rus­si­sche Staats­bür­ger. Weshalb pro­tes­tie­ren so wenige von ihnen gegen den abscheu­li­chen Krieg, den Russ­land gegen die Ukraine führt? In Russ­land erfor­dert Oppo­si­tion gegen den Krieg großen Mut. Hier nur eine klare Haltung.

Portrait von Ralf Fücks

Ralf Fücks ist geschäfts­füh­ren­der Gesell­schaf­ter des Zen­trums Libe­rale Moderne.

Was hindert die Mehr­heit der rus­si­schen Dia­spora daran, ihre Stimme gegen einen völ­ker­rechts­wid­ri­gen Angriffs­krieg zu erheben, gegen die Bom­bar­die­rung von Wohn­quar­tie­ren und Kran­ken­häu­sern, gegen Mas­sen­er­schie­ßun­gen, Ver­ge­wal­ti­gun­gen, Folter und die Depor­ta­tion von min­des­tens 20.000 ukrai­ni­schen Kindern, die zu patrio­ti­schen Russen umer­zo­gen werden sollen?

Weshalb schwei­gen sie zu einem schmut­zi­gen Krieg, der bereits Hun­dert­tau­sende das Leben gekos­tet hat – oder recht­fer­ti­gen ihn sogar? Und weshalb schwei­gen so viele Rus­sin­nen und Russen im Westen zum Tod von Alexej Nawalny, der unter extre­men Haft­be­din­gun­gen langsam umge­bracht wurde, nachdem er den Gift­an­schlag von Putins Scher­gen über­lebt hatte? Sie genie­ßen hier ein Leben in Frei­heit und Sicher­heit, während Russ­land in einer neuen Des­po­tie ver­sinkt und die euro­päi­sche Frie­dens­ord­nung angreift.

Wir wissen nicht genau, wie groß der Rück­halt für das Putin-Regime und seinen ver­bre­che­ri­schen Krieg in der rus­si­schen Bevöl­ke­rung ist. In einer Dik­ta­tur gibt es keine zuver­läs­si­gen Mei­nungs­um­fra­gen. Viel­leicht sind es tat­säch­lich nur 20–30 Prozent, die den Über­fall auf die Ukraine unter­stüt­zen und den Krieg bis zum Endsieg wollen.

Das Problem der schwei­gen­den Mehrheit

Aber auch dann ist das Problem die große schwei­gende Mehr­heit, die sich im Zweifel doch um den Kreml schart. Sie mögen den Krieg für einen Fehler halten, aber sie wollen auf keinen Fall eine rus­si­sche Nie­der­lage. Das ist die Schei­de­li­nie, die sich heute durch Russ­land und die rus­si­sche Dia­spora zieht.

Wir hatten letzte Woche Garry Kas­pa­row zu Gast, einer der Gründer und füh­ren­den Köpfe des „rus­si­schen Anti­kriegs­ko­mi­tees“. Für ihn ist ein rus­si­scher Patriot, wer sich für ein demo­kra­ti­sches Russ­land und für den Sieg der Ukraine ein­setzt. Beides hängt unmit­tel­bar zusammen.

Nur eine Nie­der­lage in der Ukraine kann Russ­land von dem impe­ria­len Wahn kurie­ren, der so viel Blut und Leid gekos­tet hat. Putin ist darauf aus, dieses Impe­rium mit Feuer und Schwert zu restau­rie­ren. Er will das Rad der Geschichte zurück­dre­hen. Damit darf er nicht durch­kom­men. Das Impe­rium muss schei­tern, damit es eine Chance auf eine demo­kra­ti­sche Erneue­rung Russ­lands gibt.

Wir sind keine Feinde Russlands 

Wir sind Gegner des Putin-Regimes und des rus­si­schen Impe­ria­lis­mus, keine Feinde Russ­lands. Unsere Freunde sind all jene, die für Demo­kra­tie und Men­schen­rechte in Russ­land ein­tre­ten und dafür ein hohes per­sön­li­ches Risiko ein­ge­hen. Viele haben dafür mit ihrem Leben bezahlt, Hun­derte sitzen in Gefäng­nis­sen und Straf­la­gern, Hun­dert­tau­sende sind im Exil.

Unserem Freund Wla­di­mir Kara-Murza droht das gleiche Schick­sal wie Alejej Nawalny. Oleg Orlow, einem der füh­ren­den Köpfe von Memo­rial, erwar­ten mehrere Jahre Haft, weil er auf dem Roten Platz gegen den Krieg protestierte.

Diese auf­rech­ten Men­schen sind ein Licht in der Fins­ter­nis; sie halten die Hoff­nung hoch, dass es eines Tages doch wieder einen demo­kra­ti­schen Früh­ling in Russ­land geben wird. Diesem anderen Russ­land gilt unsere Sym­pa­thie. Damit es leben kann, muss das Putin-Regime fallen.

Die demo­kra­ti­schen Staaten sollten die Fake-Prä­si­dent­schafts­wahl nicht anerkennen 

Die demo­kra­ti­schen Staaten sollten deshalb die Fake-Prä­si­dent­schafts­wahl im März nicht aner­ken­nen. Nach all den Rechts­brü­chen, Gewalt­ak­ten und Kriegs­ver­bre­chen kann Putin kein Ver­hand­lungs­part­ner mehr sein. Er gehört vor ein inter­na­tio­na­les Tri­bu­nal. Das wäre ein wich­ti­ges Signal: mit diesem Herr­scher hat Russ­land keine Zukunft.

Wer ein anderes, ein bes­se­res Russ­land will, muss heute vor allem die Ukraine unter­stüt­zen. Eine starke, demo­kra­ti­sche und euro­päi­sche Ukraine ist die größte Gefahr für Putin und die größte Hoff­nung für einen poli­ti­schen Wandel in Russland.

Wir sollten sehr klar unter­schei­den zwi­schen den rus­si­schen Bürgern, die sich auf die Seite Putins schla­gen, und den anderen, die Partei für die Ukraine ergrei­fen. Sie sind uns will­kom­men, sie sollten wir nach Kräften unter­stüt­zen, eine demo­kra­ti­sche Alter­na­tive zum heu­ti­gen Regime auf­zu­bauen. Ihre Zeit wird kommen!

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