Orlow: Russen müssen poli­ti­sche Ver­ant­wor­tung übernehmen

Fotos: Tobias Kunz /​ LibMod

Der pro­mi­nente rus­si­sche Bür­ger­recht­ler Oleg Orlow, der im Zuge des Gefan­ge­nen­aus­tau­sches vorige Woche frei­ge­kom­men war, hat sich dezi­diert zur poli­ti­schen Ver­ant­wor­tung der rus­si­schen Bevöl­ke­rung bekannt und die Sank­tio­nen des Westens gegen sein Land ver­tei­digt. Er kri­ti­sierte aber auch Fehler der west­li­chen Russland-Politik.

Orlow sagte in einem Inter­view im Zentrum Libe­rale Moderne am Mitt­woch, dass die rus­si­sche Gesell­schaft klar die poli­ti­sche Ver­ant­wor­tung für die Ver­bre­chen trage, die das Putin-Regime in der Ukraine „began­gen hat und begeht“.

Sie sehen gerade einen Platz­hal­ter­in­halt von YouTube. Um auf den eigent­li­chen Inhalt zuzu­grei­fen, klicken Sie auf die Schalt­flä­che unten. Bitte beach­ten Sie, dass dabei Daten an Dritt­an­bie­ter wei­ter­ge­ge­ben werden.

Mehr Infor­ma­tio­nen

Zwar dürfe man die Bevöl­ke­rung nicht mit dem Regime gleich­set­zen, aber jeder Bürger sollte ver­ste­hen, dass er sich nicht aus der Ver­ant­wor­tung ziehen könne: „Auch ich kann mich nicht der Ver­ant­wor­tung für all diese Ver­bre­chen ent­zie­hen,“ sagte er. Er fügte hinzu, dass er bereits mit ukrai­ni­schen Men­schen­rechts­ak­ti­vis­ten Kontakt auf­ge­nom­men habe, mit denen er künftig mehr gemein­sam arbei­ten wolle. „Die größte Arbeit steht noch vor uns“, sagte er.

Orlow sagte auch, dass die zöger­li­che west­li­che Politik die 2022 begon­nene rus­si­sche Voll­in­va­sion der Ukraine begüns­tigt hätten. Der Krieg sei ja bereits seit 2014 in Gange gewesen, aber der Westen habe die Gefahr nicht so ernst genom­men wie eigent­lich nötig: „Ganz offen­sicht­lich gab es einen Unwil­len, ange­mes­sen zu reagie­ren, ange­mes­sen Druck auf die rus­si­sche Führung aus­zu­üben,“ sagte er. Putin habe sich sicher gefühlt und geglaubt, dass er ange­sichts der Schwä­che des Westens unge­straft davonkomme.

Sank­tio­nen sollen den Aggres­sor schwächen

Zuvor hatte sich Orlow auf einer Pres­se­kon­fe­renz seiner Orga­ni­sa­tion Memo­rial in Berlin geäu­ßert. Er wider­sprach dort For­de­run­gen rus­si­scher Oppo­si­ti­ons­po­li­ti­ker, west­li­che Sank­tio­nen gegen Russ­land auf­zu­he­ben, wenn sie der Bevöl­ke­rung scha­de­ten. Orlow betonte, das Ziel der Sank­tio­nen sei, den Aggres­sor im Krieg gegen die Ukraine zu schwä­chen. „Dass dies Härten für die Bevöl­ke­rung mit sich bringt, ist klar. Damit müssen wir leben“, sagte er. Derzeit seien die wirt­schaft­li­chen Ein­schrän­kun­gen aber durch­aus verkraftbar.

Die Oppo­si­ti­ons­po­li­ti­ker Ilja Jaschin, Wla­di­mir Kara-Mursa und Andrej Piwo­wa­row, hatten nach Ihrer Ankunft in Deutsch­land mit ent­spre­chen­den For­de­run­gen Teils heftige Kritik auf sich gezogen. Die drei waren vorige Woche gemein­sam mit Orlow und anderen inhaf­tier­ten Regime­geg­nern frei­ge­las­sen und gegen eine Gruppe rus­si­scher Agenten und Spione, dar­un­ter der soge­nannte Tier­gar­ten­mör­der Wadim Kras­s­ikow, aus­ge­tauscht worden.

Orlow begann die Pres­se­kon­fe­renz mit Zitaten aus einem Artikel, indem er vor einem Sieg Russ­lands in der Ukraine gewarnt hatte. Auf­grund dieses Bei­trags, der im Novem­ber 2022 im fran­zö­si­schen Online-Portal „Media­part“ ver­öf­fent­licht wurde, war der Bür­ger­recht­ler wegen „Dis­kre­di­tie­rung der rus­si­schen Armee“ zu zwei­ein­halb Jahren Gefäng­nis ver­ur­teilt worden.

Unter anderem hatte Orlow geschrie­ben, dass die Zukunft Russ­lands „auf den Schlacht­fel­dern der Ukraine“ ent­schie­den und ein Sieg der rus­si­schen Truppen „den Faschis­mus in Russ­land kon­ser­vie­ren“ werde: Ein „faschis­ti­sches und sieg­rei­ches Russ­land wird unwei­ger­lich zu einer ernst­haf­ten Sicher­heits­be­dro­hung, nicht nur für seine Nach­barn, sondern für ganz Europa,“ hatte er geschrieben.

Der Aus­tausch geschah unter Zwang

Orlow schil­derte erneut die Umstände des Gefan­ge­nen­aus­tauschs. Es habe sich um eine Zwangs­aus­wei­sung gehan­delt. Den Häft­lin­gen sei im Vorfeld nichts von einem Aus­tausch gesagt worden und während der Pro­ze­dur seien sie ständig von Sicher­heits­leu­ten des Geheim­diens­tes FSB beglei­tet worden. Er selbst habe in Haft ein Angebot abge­lehnt, ein Gna­den­ge­such an den rus­si­schen Macht­ha­ber Wla­di­mir Putin zu richten. Eine Aus­bür­ge­rung wie zu Zeiten der Sowjet­union sei zwar recht­lich nicht möglich, aber die Frei­ge­las­se­nen seien ohne Rei­se­pässe weg­ge­schickt worden.

Der Men­schen­recht­ler betonte, dass für ihn eigent­lich nicht in Frage gekom­men sei, seine Heimat zu ver­las­sen. „Ich fand, dass meine Stimme stärker ist, wenn ich in Russ­land bleibe,“ sagte er. Nun werde er sich den Her­aus­for­de­run­gen der Emi­gra­tion stellen müssen. Gefragt, ob er sich eine Rück­kehr nach Russ­land vor­stel­len könne, sagte Orlow, dass er gerne „gleich morgen“ zurück­keh­ren wolle. Das sei aber höchst unrea­lis­tisch, solange Putin an der Macht sei. Allein seine Aus­sa­gen während dieser Pres­se­kon­fe­renz würden wohl ein neues Straf­ver­fah­ren nach sich ziehen.

Textende

Hat Ihnen unser Beitrag gefal­len? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spen­den­tool. Sie unter­stüt­zen damit die publi­zis­ti­sche Arbeit von LibMod.

Wir sind als gemein­nüt­zig aner­kannt, ent­spre­chend sind Spenden steu­er­lich absetz­bar. Für eine Spen­den­be­schei­ni­gung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adress­da­ten bitte an finanzen@libmod.de

 

Ver­wandte Themen

News­let­ter

#mc_embed_signup{background:#b20062; clear:left; font:14px Helvetica,Arial,sans-serif; }
/​* Add your own Mailchimp form style over­ri­des in your site style­sheet or in this style block.
We recom­mend moving this block and the pre­ce­ding CSS link to the HEAD of your HTML file. */

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mun­gen erklä­ren Sie sich einverstanden.