Orlow: Russen müssen politische Verantwortung übernehmen
Der prominente russische Bürgerrechtler Oleg Orlow, der im Zuge des Gefangenenaustausches vorige Woche freigekommen war, hat sich dezidiert zur politischen Verantwortung der russischen Bevölkerung bekannt und die Sanktionen des Westens gegen sein Land verteidigt. Er kritisierte aber auch Fehler der westlichen Russland-Politik.
Orlow sagte in einem Interview im Zentrum Liberale Moderne am Mittwoch, dass die russische Gesellschaft klar die politische Verantwortung für die Verbrechen trage, die das Putin-Regime in der Ukraine „begangen hat und begeht“.
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Mehr InformationenZwar dürfe man die Bevölkerung nicht mit dem Regime gleichsetzen, aber jeder Bürger sollte verstehen, dass er sich nicht aus der Verantwortung ziehen könne: „Auch ich kann mich nicht der Verantwortung für all diese Verbrechen entziehen,“ sagte er. Er fügte hinzu, dass er bereits mit ukrainischen Menschenrechtsaktivisten Kontakt aufgenommen habe, mit denen er künftig mehr gemeinsam arbeiten wolle. „Die größte Arbeit steht noch vor uns“, sagte er.
Orlow sagte auch, dass die zögerliche westliche Politik die 2022 begonnene russische Vollinvasion der Ukraine begünstigt hätten. Der Krieg sei ja bereits seit 2014 in Gange gewesen, aber der Westen habe die Gefahr nicht so ernst genommen wie eigentlich nötig: „Ganz offensichtlich gab es einen Unwillen, angemessen zu reagieren, angemessen Druck auf die russische Führung auszuüben,“ sagte er. Putin habe sich sicher gefühlt und geglaubt, dass er angesichts der Schwäche des Westens ungestraft davonkomme.
Sanktionen sollen den Aggressor schwächen
Zuvor hatte sich Orlow auf einer Pressekonferenz seiner Organisation Memorial in Berlin geäußert. Er widersprach dort Forderungen russischer Oppositionspolitiker, westliche Sanktionen gegen Russland aufzuheben, wenn sie der Bevölkerung schadeten. Orlow betonte, das Ziel der Sanktionen sei, den Aggressor im Krieg gegen die Ukraine zu schwächen. „Dass dies Härten für die Bevölkerung mit sich bringt, ist klar. Damit müssen wir leben“, sagte er. Derzeit seien die wirtschaftlichen Einschränkungen aber durchaus verkraftbar.
Die Oppositionspolitiker Ilja Jaschin, Wladimir Kara-Mursa und Andrej Piwowarow, hatten nach Ihrer Ankunft in Deutschland mit entsprechenden Forderungen Teils heftige Kritik auf sich gezogen. Die drei waren vorige Woche gemeinsam mit Orlow und anderen inhaftierten Regimegegnern freigelassen und gegen eine Gruppe russischer Agenten und Spione, darunter der sogenannte Tiergartenmörder Wadim Krassikow, ausgetauscht worden.
Orlow begann die Pressekonferenz mit Zitaten aus einem Artikel, indem er vor einem Sieg Russlands in der Ukraine gewarnt hatte. Aufgrund dieses Beitrags, der im November 2022 im französischen Online-Portal „Mediapart“ veröffentlicht wurde, war der Bürgerrechtler wegen „Diskreditierung der russischen Armee“ zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Unter anderem hatte Orlow geschrieben, dass die Zukunft Russlands „auf den Schlachtfeldern der Ukraine“ entschieden und ein Sieg der russischen Truppen „den Faschismus in Russland konservieren“ werde: Ein „faschistisches und siegreiches Russland wird unweigerlich zu einer ernsthaften Sicherheitsbedrohung, nicht nur für seine Nachbarn, sondern für ganz Europa,“ hatte er geschrieben.
Der Austausch geschah unter Zwang
Orlow schilderte erneut die Umstände des Gefangenenaustauschs. Es habe sich um eine Zwangsausweisung gehandelt. Den Häftlingen sei im Vorfeld nichts von einem Austausch gesagt worden und während der Prozedur seien sie ständig von Sicherheitsleuten des Geheimdienstes FSB begleitet worden. Er selbst habe in Haft ein Angebot abgelehnt, ein Gnadengesuch an den russischen Machthaber Wladimir Putin zu richten. Eine Ausbürgerung wie zu Zeiten der Sowjetunion sei zwar rechtlich nicht möglich, aber die Freigelassenen seien ohne Reisepässe weggeschickt worden.
Der Menschenrechtler betonte, dass für ihn eigentlich nicht in Frage gekommen sei, seine Heimat zu verlassen. „Ich fand, dass meine Stimme stärker ist, wenn ich in Russland bleibe,“ sagte er. Nun werde er sich den Herausforderungen der Emigration stellen müssen. Gefragt, ob er sich eine Rückkehr nach Russland vorstellen könne, sagte Orlow, dass er gerne „gleich morgen“ zurückkehren wolle. Das sei aber höchst unrealistisch, solange Putin an der Macht sei. Allein seine Aussagen während dieser Pressekonferenz würden wohl ein neues Strafverfahren nach sich ziehen.
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