„Stra­te­gi­sche Part­ner­schaft ist eine Fata Morgana“

In einem Inter­view für den „Peters­bur­ger Dialog“ beschreibt LibMod-Direk­tor Ralf Fücks ganz nüch­tern den Stand der deutsch-rus­si­schen Bezie­hun­gen. Fücks leitet gemein­sam mit dem rus­si­schen Green­peace-Geschäfts­füh­rer Sergej Zyp­le­n­kow die Arbeits­gruppe Öko­lo­gi­sche Moder­ni­sie­rung des Peters­bur­ger Dialogs.

Frage: Wo stehen wir im deutsch-rus­si­schen Verhältnis?

Ralf Fücks: An einem Tief­punkt. „Stra­te­gi­sche Part­ner­schaft“ ist allen­falls noch eine Fata Morgana und wird es bleiben, solange sich die rus­si­sche Führung als Gegen­spie­ler zu den libe­ra­len Demo­kra­tien verhält. Putins außen­po­li­ti­scher Bezugs­punkt ist nicht mehr die Charta von Paris mit der glei­chen Sou­ve­rä­ni­tät aller Staaten, Gewalt­ver­zicht und Demo­kra­tie als gemein­sa­mer Leit­wert, sondern die Rück­kehr nach Yalta – die Auf­tei­lung Europas in impe­riale Ein­fluss­sphä­ren. Par­al­lel hat der Kreml den Rückweg zu einem System auto­ri­tä­rer Herr­schaft ange­tre­ten, das nichts mehr fürch­tet als den Erfolg frei­heit­li­cher Bestre­bun­gen wie aktuell in Belarus. Dialog ist weiter nötig, ebenso punk­tu­elle Koope­ra­tion, wo es über­lap­pende Inter­es­sen gibt. Aber gleich­zei­tig braucht es klare Signale an Putin – bis hierher und nicht weiter! – wenn Völ­ker­recht und Men­schen­rechte massiv ver­letzt werden.

 

Frage: Nach 30 Jahren Ver­nunft­ehe scheint die deutsch-rus­si­sche Liaison zer­rüt­tet. Lohnt sich eine Mediation?

Fücks: Wer sollte hier ver­mit­teln? Wir haben es nicht mit einer zer­rüt­te­ten Ehe zu tun, sondern mit Staaten, die gegen­sätz­li­che Ziele mit Blick auf die poli­ti­sche Ordnung in Europa und ent­ge­gen­ge­setzte gesell­schafts­po­li­ti­sche Werte ver­fol­gen. Es wäre schon viel, sich wieder auf wech­sel­sei­ti­gen Gewalt­ver­zicht und zivile Spiel­re­geln zu ver­stän­di­gen. Hacker­an­griffe auf den deut­schen Bun­des­tag, Mord­an­schläge auf rus­si­sche Oppo­si­tio­nelle in Europa und der uner­klärte Krieg gegen die Ukraine sind keine Kava­liers­de­likte, die man durch the­ra­peu­ti­sche Übungen bei­le­gen kann. Wohl aber sollte der wis­sen­schaft­li­che und kul­tu­relle Aus­tausch ver­tieft werden.

 

Frage: Was trennt, was eint Russen und Deut­sche heute?

Fücks: Wir sollten zwi­schen der rus­si­schen Macht­elite und der Zivil­ge­sell­schaft unter­schei­den. Mit den Bür­ger­recht­lern, Umwelt­in­itia­ti­ven, Frau­en­grup­pen, kri­ti­schen Intel­lek­tu­el­len, Künst­le­rin­nen, Jour­na­lis­ten und Wis­sen­schaft­lern, die in Russ­land zuneh­mend unter Druck geraten, ver­bin­det uns sehr viel. Und mit der großen Mehr­heit der rus­si­schen Bevöl­ke­rung teilen wir den Wunsch nach Frieden. Darauf können wir auf­bauen, wenn es um den Dialog der Zivil­ge­sell­schaf­ten geht. Das ver­stehe ich auch als Auftrag des Peters­bur­ger Dialogs.

 

Frage: Was wird das wich­tigste Thema Ihrer Arbeits­gruppe im kom­men­den Jahr?

Fücks: Wir kon­zen­trie­ren uns auf die Frage, was Kli­ma­wan­del und „Euro­pean Green Deal“ für Russ­land und die künf­ti­gen deutsch/​europäisch – rus­si­schen Bezie­hun­gen bedeu­ten. Russ­land ist heute der welt­größte Expor­teur fos­si­ler Ener­gie­trä­ger. Dieses Modell ist nicht zukunfts­fä­hig. Welche Her­aus­for­de­run­gen für die rus­si­sche Öko­no­mie und welche Mög­lich­kei­ten der Zusam­men­ar­beit bei der öko­lo­gi­schen Moder­ni­sie­rung des Landes ergeben sich daraus? Wir setzen damit eine Reihe von Semi­na­ren und Work­shops fort, gern auch in Zusam­men­ar­beit mit der AG Wirt­schaft des Peters­bur­ger Dialogs.

 

Frage: Wagen Sie eine Pro­gnose: Wie sieht das deutsch-rus­si­sche Mit- oder Gegen­ein­an­der in zehn Jahren aus?

Fücks: Das hängt ent­schei­dend davon ab, ob es zu Ver­än­de­run­gen in der rus­si­schen Politik kommt. Das Putin-Regime wird nicht ewig währen. Die sozia­len und poli­ti­schen Pro­teste nehmen zu, die Unter­ta­nen­men­ta­li­tät wandelt sich in ein neues Bür­ger­be­wusst­sein. Auch der öko­no­mi­sche Moder­ni­sie­rungs­druck wächst. Wir sollten den demo­kra­ti­schen Wandel in Russ­land zurück­hal­tend, aber von ganzem Herzen fördern. Ein demo­kra­ti­sches Russ­land wäre ein will­kom­me­ner Partner und ein großer Gewinn für Frieden und Sicher­heit. Bis es soweit ist, braucht es eine klare Haltung: so viel Koope­ra­tion wie möglich, so viel Kon­flikt­be­reit­schaft wie nötig.

 

Die Fragen stellte Peter Köpf. Dieses Inter­view ist zuerst auf Karenina.de erschie­nen, der neuen digi­ta­len Platt­form des Peters­bur­ger Dialogs.

 

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