Eine App gegen Autoritarismus

Trotz des rus­si­schen Ver­nich­tungs­krie­ges gegen die Ukraine harren viele west­li­che Unter­neh­men in Russ­land aus. Einige von ihnen fühlen sich nicht betrof­fen, weil ihre Pro­dukte (Lebens­mit­tel und Medi­ka­mente) nicht unter die Sank­tio­nen fallen, andere wollen expli­zit nicht auf das Russ­land­ge­schäft ver­zich­ten, bzw. hoffen auf eine baldige Nor­ma­li­sie­rung der Wirt­schafts­be­zie­hun­gen. Für Ver­brau­cher soll es bald eine App geben, mit der man solche schwarze Schafe erken­nen kann.

Dieser Artikel ist Teil eines Dos­siers Sank­tio­nen, mit dem wir vor unserer Rus­s­­land-Kon­­­fe­­renz am 15. Mai erör­tern wollen, wie die Sank­tio­nen gegen Russ­land ver­schärft werden können.

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Von Felix Hosse

Die globale Ver­net­zung und unmit­tel­ba­rer Kom­mu­ni­ka­tion gibt dem Ein­zel­nen im Kampf gegen Unge­rech­tig­keit und für ethi­sche Ver­ant­wor­tung neue Ein­fluss­mög­lich­kei­ten. Diese Chance ergreift „Clear Con­sci­ence“, das Ver­brau­chern ermög­licht, durch ihre Kauf­ent­schei­dun­gen direkt Ein­fluss zu nehmen und ihre Stimmen gegen­über großen Kon­zer­nen hörbar zu machen.

Das Problem: West­li­che Unter­neh­men, die in Russ­land bleiben

Zahl­rei­che west­li­che Unter­neh­men setzen trotz des bru­ta­len Angriffs­kriegs gegen die Ukraine ihre Geschäfte in Russ­land einfach fort. Diese Firmen tragen durch ihre Steu­er­zah­lun­gen zur finan­zi­el­len Unter­stüt­zung des Staates und mithin des Krieges bei. Basie­rend auf aktu­el­len Zahlen von 2022 betrug das Gewinn­steu­er­auf­kom­men aus­län­di­scher Unter­neh­men in Russ­land 2,8 Mil­li­ar­den Dollar, ihr gesam­tes Steu­er­auf­kom­men wird auf ein Viel­fa­ches davon geschätzt. Dies wirft nicht nur ethi­sche Fragen auf, sondern unter­gräbt auch inter­na­tio­nale Bemü­hun­gen, den Krieg durch wirt­schaft­li­chen Druck ein­zu­däm­men. Das anhal­tende Enga­ge­ment dieser Unter­neh­men in Russ­land ver­deut­licht ein tief­grei­fen­des Problem: die Dis­kre­panz zwi­schen öffent­lich pro­kla­mier­ten ethi­schen Stan­dards und den tat­säch­li­chen Geschäftspraktiken.

Clear Con­sci­ence nutzt eine Daten­bank aus mehr als 3.500 Unter­neh­men. Weil Ver­brau­cher häufig nicht ein­zelne Marken zuord­nen können, listet die App die dahin­ter­ste­hen­den Unter­neh­men auf. Die meisten ähn­li­chen Apps beinhal­ten nur wenige Marken und geben keine Alter­na­ti­ven zu pro­ble­ma­ti­schen Pro­duk­ten, was sie für Ver­brau­cher unat­trak­tiv machen. Clear Con­sci­ence ver­spricht eine größere Marken-Auswahl und einen KI-basier­ten Algo­rith­mus, der die besten Alter­na­ti­ven vor­schlägt. Die Browser-Erwei­te­rung und die Smart­phone App sollen ab Juni 2024 erhält­lich sein.

Die Macht pri­va­ter Boykotte

Obwohl staat­li­che Sank­tio­nen im welt­wei­ten Kampf für eine fried­li­che und gerechte Welt eine wich­tige Rolle spielen, haben sie ihre Grenzen. Vielen gelten sie als erheb­li­che Ein­griffe in die wirt­schaft­li­che Frei­heit des Ein­zel­nen, der in einer libe­ra­len Demo­kra­tie gut begrün­det werden muss. Sie werden oft umgan­gen. Bür­ge­rin­nen und Bürger sind bei diesen Maß­nah­men außen vor, so dass sie nicht erken­nen, welche Rolle sie selber in diesem Prozess über­neh­men könnten. So kommt es zu einem “Crow­ding-Out-Effekt”, bei dem sich ein­zelne Ver­brau­cher fragen, warum sie noch handeln sollen, wenn der mäch­tige Staat doch schon Sank­tio­nen gegen Unrechts­staa­ten erlas­sen hat. Über die Breite und Effek­ti­vi­tät der Sank­tio­nen sind sich viele oft nicht im Klaren.

An dieser Stelle offen­bart sich die wahre Kraft des pri­va­ten Boy­kotts. Durch den bewuss­ten Ver­zicht auf Pro­dukte und Dienst­leis­tun­gen von ethisch frag­wür­dig agie­ren­den Unter­neh­men können Kon­su­men­ten direk­ten Ein­fluss auf diese Firmen ausüben. Im Gegen­satz zu staat­li­chen Sank­tio­nen, die leicht umgan­gen werden können, sind Unter­neh­men beson­ders emp­find­lich für den Verlust von Markt­an­tei­len und Umsatz in ihren (west­li­chen) Kern­märk­ten. Dies ist umso wich­ti­ger, weil der Anteil des Russ­land­ge­schäfts am glo­ba­len Umsatz der meisten Unter­neh­men seit Jahren und auch vor der Voll­in­va­sion stetig sinkt. Ein gut orga­ni­sier­ter Boykott kann daher eine unmit­tel­bare und spür­bare Wirkung erzielen.

Eine inno­va­tive Lösung

Hier setzt Clear Con­sci­ence an und bietet mit einer Browser-Erwei­te­rung und einer Barcode-Scan­ning-App Hilfs­mit­tel, die es Kon­su­men­ten möglich machen, infor­mierte Kauf­ent­schei­dun­gen zu treffen, die mit den eigenen Über­zeu­gun­gen und Grund­sät­zen übereinstimmen.

Clear Con­sci­ence adres­siert eine Schwach­stelle pri­va­ter Boy­kott­hand­lun­gen: Unter­neh­men können häufig die Aus­wir­kun­gen eines Boy­kotts nicht quan­ti­fi­zie­ren und so keine Geschäfts­ent­schei­dun­gen treffen, die auf den spe­zi­fi­schen Prä­fe­ren­zen ihrer Kunden beruhen. Clear Con­sci­ence agg­re­giert, wie viel Geld pro Marke bei der Kon­kur­renz aus­ge­ge­ben wurde und infor­miert das Unter­neh­men darüber. So ver­lei­hen wir Kon­su­men­ten eine öffent­li­che Stimme und ermög­li­chen Unter­neh­men fun­dierte Geschäfts­ent­schei­dun­gen. Ein Abwan­dern aus­län­di­scher Unter­neh­men aus Russ­land und eine Schwä­chung des rus­si­schen Staats­haus­halts werden so wahrscheinlicher.

Die lang­fris­tige Vision

Mit­tel­fris­tig ist das Ziel, die Fähig­keit Russ­lands zu mini­mie­ren, seinen geno­zi­da­len Krieg gegen die Ukraine zu führen. Jeder Rubel, der nicht in der rus­si­schen Staats­kasse landet, trägt dazu bei, dass weniger ukrai­ni­sche Städte in Schutt und Asche gelegt werden und dass weniger Ukrai­ne­rin­nen und Ukrai­ner in den Schüt­zen­grä­ben sterben. Clear Con­sci­ence leistet hier seinen Beitrag in einem Konzert, das auch aus staat­li­chen Sank­tio­nen bestehen muss. Unser Blick geht aller­dings weit über den aktu­el­len Krieg in der Ukraine hinaus. Wir streben danach, eine Welt zu schaf­fen, in der jeder Euro im Ein­klang mit dem per­sön­li­chen Gewis­sen aus­ge­ge­ben werden kann. Die Vision ist eine Wirt­schaft, die von den Werten der Ver­brau­cher gelei­tet wird, und Unter­neh­men, die erken­nen, dass ethi­sches Handeln kein optio­na­les Extra, sondern ein grund­le­gen­der Bestand­teil ihres Geschäfts­mo­dells sein muss.

Der Weg nach vorn

Durch die Nutzung der Tools und der Infor­ma­tio­nen, die Clear Con­sci­ence zusam­men mit anderen Part­nern bereit­stellt, können ein­zelne Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­cher einen Unter­schied machen. Die Ent­schei­dung, bestimmte Unter­neh­men zu unter­stüt­zen oder zu meiden, ist eine starke Waffe im Kampf gegen Auto­ri­ta­ris­mus und für eine ethi­sche Welt. Clear Con­sci­ence baut so Brücken zwi­schen ethi­schen Über­zeu­gun­gen und Alltagskonsum.

 


* Felix Hosse ist Gründer des Ber­li­ner EGO-Insti­tuts, das sich der För­de­rung von Frei­heit ver­schrie­ben hat und sich schon früh an Hilfs­lie­fe­run­gen in die Ukraine betei­ligt hat. Er ist Geschäfts­füh­rer von Clear Conscience.

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