Unsere Projekte
Im Russland-Programm des Zentrums Liberale Moderne haben wir bisher folgende Aktivitäten durchgeführt:
- International Expert Network Russia
Zur Seite des Netzwerks (Englisch): libmod.de/network-russia
Russlands brutaler Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigt deutlich, wie wichtig eine koordinierte und realistische westliche Politik gegenüber Moskau ist. Das Zentrum Liberale Moderne hat deshalb 2022 ein internationales Expertennetzwerk ins Leben gerufen, das wichtige Stimmen in der Diskussion um den Umgang mit Russland bündelt. Neben Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Thinktanks umfasst das Netzwerk auch Medien und Zivilgesellschaft. Besonderen Wert legen wir auf die Mitarbeit von Expertinnen aus Osteuropa, der Ukraine und aus der russischen Opposition. Die Auftaktkonferenz des Netzwerks fand am 31. Oktober 2022 in Vilnius statt.
Dem Aufbau des Netzwerks gewidmet ist das vom Auswärtigen Amt gefördete Projekt „Russland und der Westen“: Europäische Nachkriegsordnung und die Zukunft der Beziehungen zu Russland. Darin werden unter anderem die Veröffentlichung von Policy Papers sowie Online-Diskussionen und Netzwerktreffen unterstützt.
Konferenz „Russland und der Westen“
Seit seiner Gründung 2017 setzt sich das Zentrum Liberale Moderne mit der Frage einer vernünftigen Russlandpolitik auseinander. Seit 2018 diskutieren wir auf einer jährlichen Expertenkonferenz über die Optionen des Westens. Im Anschluss findet immer eine öffentliche Diskussion zum gleichen Thema statt. Die jüngste Ausgabe fand am 15. Mai 2024 in Berlin unter dem Motto „Was auf dem Spiel steht“ statt – bereits zum dritten Mal unter dem Schatten des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.
Die Berichte bzw. Videos über die vergangenen Konferenzen können Sie hier aufrufen:
- 2024 – Was auf dem Spiel steht
- 2023 – Lessons learned?
- 2022 – Zeitenwende
- 2021 – Kommt jetzt ein kalter Frieden?
- 2020 – Annäherung oder Systemkonflikt?
- 2019 – Brauchen wir eine neue Ostpolitik?
- 2018 – Das System Putin
Alle Inhalte „Russland und der Westen“
- German-Russian Sakharov Future Talks (eingestellt)
Zu den Projektinhalten
Am 21. Mai 2021 wäre Andrej Sacharow 100 Jahre alt geworden. Der Physiker und Entwickler der sowjetischen Wasserstoffbombe wurde später zum Kritiker des nuklearen Wettrüstens und Doyen der sowjetischen Menschenrechtsbewegung. 1975 erhielt er den Friedensnobelpreis. Sacharow starb 1989, seine zentralen Themen sind aber heute wieder ganz oben auf der Agenda: Die Erosion der internationalen Friedensordnung, die Überlastung des Ökosystems und das Erstarken autokratischer Regimes. Sein 100. Geburtstag nahmen wir zum Anlass, Sacharows Aktualität sichtbarer zu machen und angesichts wachsender Entfremdung zwischen Russland und Deutschland zum Gespräch über fundamentale Grundwerte des Zusammenlebens in Europa beizutragen.
Leider musste das Projekt eingestellt werden, nachdem die russische Regierung das Zentrum Liberale Moderne Ende Mai zur „unerwünschten Organisation“ erklärte.
Sacharows Vermächtnis ist vielfältig. In der Tradition von Einstein, Russell und Bohr sah er sich als Wissenschaftler verantwortlich für die Folgen der Nutzung seiner Erfindungen, die die Zukunft der Menschheit gefährden könnten. Sacharow verteidigte und entwickelte das Konzept der intellektuellen Freiheit als grundlegende Voraussetzung für die Lösung globaler Probleme. Er war in der Lage, kompromissloses Engagement für seine Ideale mit einem realistischen Ansatz für die Lösung spezifischer Probleme wie nuklearer Abrüstung, Umweltgefahren oder bewaffnete Konflikte zu kombinieren.
Im Zentrum seines gesellschaftlichen Engagements stand der Kampf für Menschenrechte, insbesondere für die Freilassung gewaltloser politischer Gefangener. Die Schlüsselbotschaft Sacharows ist, dass Frieden, technischer Fortschritt und Menschenrechte Bestandteile eines Ganzen sind. In keinem der drei Bereiche kann man Erfolg haben, ohne die anderen zu berücksichtigen.
Andrej Sacharow wurde zu Lebzeiten und in den ersten Jahren nach seinem Tod allgemein anerkannt. Das Europäische Parlament rief 1988 den Sacharow-Preis für geistige Freiheit ins Leben. In aller Welt auch in Deutschland (etwa in Schwerin und Nürnberg) tragen Straßen und Plätze seinen Namen. Dennoch das Verhältnis zu Sacharow war zu Lebzeiten gerade in Deutschland schwierig. Die DDR-Propaganda folgte der des Kremls in der negativen Bewertung des gesellschaftlichen Engagements des Wissenschaftlers. Im Westen war Sacharow in den Auseinandersetzungen um Ostpolitik, Vergangenheitsbewältigung, linken Terrorismus und konservativer Wende für Intellektuelle und die Zivilgesellschaft schwer einzuordnen und blieb deswegen fremd. (vgl. Hänel, Michael (2014). Zwischen allen Stühlen: der Mahner und Humanist Andrej Sacharov. OSTEUROPA, 64(11–12), 153–163, S. 155)
In den 1990er Jahren schien es, als seien die Hauptziele, für die sich Sacharow einsetzte, erreicht. Die Gefahr des Atomkrieges nahm dramatisch ab, der Kalte Krieg ging zu Ende und Deutschland wurde wiedervereinigt. Das Internet entwickelte sich zu einem Garanten für intellektuelle Freiheit. Die Menschenrechtsbewegung machte weltweit stetige Fortschritte. Die Zahl der Länder, die sich für einen demokratischen Weg entschieden hatten, stieg, und Russland gehörte dazu. Sacharows Vermächtnis schien an Relevanz für die gesellschaftliche Diskussion zu verlieren. Im vereinigten Deutschland blieben seine Gedanken weitgehend unbekannt.
Doch im 21. Jahrhundert stehen die zentralen Themen für Sacharows Leben und Werk erneut ganz hoch auf der Agenda – weltweit und auch in Russland und Deutschland. Regionale Konflikte, die Erosion der internationalen Friedensordnung, nukleare Aufrüstung sowie die Überlastung des Ökosystems sind wieder zu drängenden Fragen geworden. Das Internet, dessen Entstehung Sacharow vorhergesagt hatte, erweist sich als Innovation, die nicht nur intellektuelle Freiheiten stärkt, sondern auch neue Bedrohungen mit sich bringt. Nationalismus, Rassismus und andere Arten von Intoleranz, die Erstarkung autokratischer Regime und antidemokratischer Ideologien stellen wachsende Herausforderung für den Schutz von Menschenwürde und ‑rechten dar. Für viele russische BürgerInnen, die die Werte von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Humanismus teilen, bleibt Andrej Sacharow gerade in der Zeit, in der diese Werte in Russland so gefährdet sind, ein moralischer Kompass.
Sacharows 100. Geburtstag bietet einen guten Anlass, die Aktualität des Nobelpreisträgers als Wissenschaftler und humanistischen Denker, demokratischen Politiker und wichtige Identifikationsfigur für die Menschenrechtsbewegung sichtbarer zu machen und in einer Zeit wachsender Entfremdung zwischen Russland und Deutschland zum Gespräch über fundamentale Grundwerte des Zusammenlebens in Europa beizutragen.
Das Projekt „German-Russian Sakharov Future Talks“ wird gemeinsam vom Zentrum Liberale Moderne und dem Moskauer Sacharow-Zentrum durchgeführt. Das Projekt wird vom Auswärtigen Amt unterstützt.
- Deutsch-Russische-Gespräche zur digitalen Zivilgesellschaft (abgeschlossen)
Zu den Projektinhalten
Die russische Regierung versucht Zugriff auf die letzten Freiheitsinseln im Internet zu bekommen. Mit dem Gesetz über das „Souveräne Internet“ könnte die Regierung das Netz von der Außenwelt isolieren. Im Rahmen dieses zweijährigen Projekts haben das Zentrum Liberale Moderne und das Moskauer Sacharow-Zentrum 2019 und 2020 Internetaktivisten aus Russland und Deutschland zusammengebracht und gemeinsam diskutiert, wie das Internet als Ort für freies Denkens bewahrt werden kann.
Die Handlungsspielraum für Zivilgesellschaft und unabhängige Medien in Russland wird immer enger. Mit repressiven Gesetzen, physischem und wirtschaftlichem Druck sowie mit strafrechtlicher Verfolgung versucht der russische Staat derzeit, kritische Stimmen einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.
Noch ist das Internet eine der letzten Nischen für kritische Öffentlichkeit in Russland. Aber auch dieser Raum wird zunehmend von staatlicher Zensur eingeschränkt. Der staatliche Druck auf Internetprovider, die Kontrolle über die Inhalte sowie die Möglichkeiten für eine umfassende Überwachung des Netzes nehmen ständig zu.
Das Gesetz über das „souveräne Internet“ von November 2019 ist der bisherige Höhepunkt einer Reihe von Regulierungen, welche die Internetfreiheit nach und nach einschränken.
Immer stärker nimmt der Staat kremlkritische Redaktionen und einzelne JournalistInnen, BloggerInnen und AktivistInnen ins Visier, für die das Internet eine unentbehrliche Plattform ist. So wurde im Dezember 2019 das Medien- und Informationsgesetz verschärft und damit die Möglichkeit geschaffen, den stigmatisierenden Status von „ausländischen Agenten“ auf Einzelpersonen auszuweiten. Auch werden immer neue rechtliche Instrumente geschaffen um private InternetnutzerInnen für öffentliche Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken zu verfolgen. Das schafft ein Klima der Angst und der Selbstzensur.
Gleichzeitig nimmt die Bedeutung von Meinungs- und Informationsfreiheit in Russland zu. Einer Umfrage des unabhängigen Lewada-Instituts vom November 2019 zufolge ist der Anteil derjenigen, die Meinungsfreiheit als eine der wichtigsten Rechte sehen, binnen zwei Jahren von 34 auf 58 Prozent gestiegen. Der Anteil derer, die auf ein Recht auf ungehinderten Zugang zu Informationen bestehen stieg von 25 auf 39 Prozent.
Das staatlich kontrollierte Fernsehen verliert unterdessen an Einfluss. Während noch vor 10 Jahren 94 Prozent sich über In- und Außenpolitik via Fernsehen informierten, waren es einer Levada-Umfrage zufolge 2019 nur noch 72 Prozent. Das Internet wird immer wichtiger als Informationsquelle: 34 bzw. 32 Prozent der BürgerInnen informieren sich aus sozialen Medien und Online-Nachrichten. Bei den jüngeren sind soziale Netzwerke sogar die wichtigste Informationsquelle.
Die zunehmende Einschränkung der Internetfreiheit mobilisiert die russische Zivilgesellschaft, insbesondere die jüngere Generation. Im März 2019 gingen in Moskau und anderen russischen Städten Tausende Menschen auf die Straße, um für die Freiheit des Internets zu demonstrieren.
Als Reaktion auf die Einschränkunegn sind in den vergangenen Jahren im russischsprachigen Internet zahlreiche neue unabhängige Online-Portale und Medienprojekte entstanden. Sie stoßen in die Lücke zwischen der Zensur und Selbstzensur und nutzen geschickt und intensiv die Möglichkeiten digitaler Medien, um über Themen zu berichten, für die in den Staatsmedien kein Platz mehr ist.
Einzelne Blogger, die sich für die Anliegen der demokratischen Zivilgesellschaft einsetzen, erreichen mittlerweile eine Öffentlichkeit, die sich mit der Reichweite der staatlich kontrollierten Angeboten messen lässt. Auch klassische Nichtregierungsorganisationen nutzen zunehmend neue Technologien, um die Gesellschaft für vom Staat vernachlässigte oder unterdrückte Probleme zu sensibilisieren. Sie engagieren sich gezielt für die Freiheit im Netz, beobachten gezielt staatliches Vorgehen gegen Bürgerrechte im Internet und leisten Rechtshilfe. Staatliche Strafverfolgung, Geldmangel und die zunehmende Behinderung von internationaler Zusammenarbeit schränken die Handlungsspielräume dieser Akteure allerdings ein.
Die internet-affine russische Zivilgesellschaft und unabhängige Online-Medien stehen außerdem vor Herausforderungen, die es ähnlich auch in Deutschland gibt. Dies gilt z.B. für Sicherheitsfragen, den Umgang mit Falschnachrichten und Hassbotschaften im Netz oder für journalistische Techniken und Standards bei der Durchführung investigativer Recherchen. Auch ein Vergleich des regulativen Rahmens für das Internet in Deutschland/der EU und Russland kann für beide Seiten produktiv sein.
Unzureichendes Wissen um den jeweils anderen Diskurs, fehlender Erfahrungsaustausch und ein Mangel an persönlichen Begegnungen zwischen russischen und deutschen AktivistInnen, ExpertInnen, Medienschaffenden erschweren das gegenseitige Verständnis und eine wirksame Kooperation.
Das Projekt zielt darauf ab, diese Defizite durch persönlichen Austausch, wechselseitige Vernetzung sowie gemeinsame Diskussion über Themen im beiderseitigen Interesse anzugehen. Einbezogen werden russische und deutsche Akteure aus Zivilgesellschaft, Medien, ExpertertInnen im Bereich Internet- und Informationsfreiheit, VertreterInnen von Transparenz-Initiativen sowie interessierte BürgerInnen. Im Rahmen des bereits seit 2019 laufenden Projekts organisieren wir öffentliche Veranstaltungen in beiden Ländern, Fachtagungen sowie Studienreisen. Wegen der Corona-Pandemie fanden viele davon 2020 online statt. Das Projekt soll den Aufbau grenzüberschreitender Netzwerke fördern, die über die Projektlaufzeit hinaus Bestand haben.
Die Deutsch-Russischen Gespräche zur digitalen Zivilgesellschaft sind ein Gemeinschaftsprojekt des Zentrums Liberale Moderne und des Moskauer Sacharow-Zentrums. Das Projekt wird vom Auswärtigen Amt unterstützt.
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Juri-Schmidt-Konferenz (abgeschlossen)
Zu den Inhalten „Menschenrechte in Russland“
2018 und 2019 organisierten das Zentrum Liberale Moderne und das Menschenrechtsprojekt von Open Russia eine nach dem bekannten russischen Rechtsanwalt Juri Schmidt benannte Konferenz. Auf den Treffen diskutierten Teilnehmer aus Russland und Deutschland über neue Strategien für die Menschrechtsbewegung. Die Konferenz von 2018 endete mit einem beeindruckenden Erklärung zur Lage der Menschenrechte in Russland.